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Ich Und Kaminski

Ich Und Kaminski

Titel: Ich Und Kaminski Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Kehlmann
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horchte. Nichts. Wir waren allein.
    »Ich weiß nicht, ob ich richtig verstehe«, sagte Kaminski. »Aber ich habe das Gefühl, statt in meine Vergangenheit sind wir in Ihre geraten.«
    Ich führte ihn ins Gästezimmer. Das Bett war frisch bezogen. »Man muß lüften«, sagte er. Ich öffnete das Fenster. »Medikamente.« Ich reihte sie auf dem Nachttisch auf. »Schlafanzug.«
    »Der ist im Koffer, und der Koffer ist im Auto.«
    »Und das Auto?«
    Ich antwortete nicht.
    »Ach so«, sagte er, »So. Lassen Sie mich allein.«
    Im Wohnzimmer standen, vollgepackt, meine beiden Koffer.
    Sie hatte es also wirklich getan! Ich ging in den Flur und hob die Briefe auf: Rechnungen, Werbung, zwei an Elke adressierte Kuverts, das eine von einer ihrer langweiligen Freundinnen, das andere von einem gewissen Walter Munzinger. Walter? Ich riß es auf und las, aber es war nur ein Kunde ihrer Agentur, das Schreiben sehr distanziert und förmlich, es mußte ein anderer Walter sein.
    Es waren auch Briefe an mich dabei. Wieder Rechnungen, Werbung, Trink doch Bier!, drei Honorarbelege für abgedruckte Artikel, zwei Einladungen: eine Buchpräsentation nächste Woche und eine Vernissage heute abend, die neuen Collagen von Alonzo Quilling. Es würden wichtige Leute dasein. Unter normalen Umständen wäre ich unbedingt hingegangen. Ein Jammer, daß niemand wußte, daß Kaminski bei mir war.
    Ich starrte die Einladung an und ging im Zimmer auf und ab. Der Regen prasselte an die Scheibe. Warum eigentlich nicht? Das konnte meine Position völlig ändern.
    Ich öffnete den größeren Koffer und begann, meine Hemden durchzusehen. Ich würde mein bestes Jackett brauchen. Und andere Schuhe. Und natürlich Elkes Autoschlüssel.

X
    »Sebastian. Hallo. Nur herein.«
    Hochgart schlug mir auf die Schulter, ich gab ihm einen Klaps auf den Oberarm, er sah mich an, als wären wir Freunde, ich lächelte, als ob ich es glaubte. Er war der Galerist hier, schrieb auch manchmal Kritiken, zuweilen über Ausstellungen seines eigenen Hauses, das störte niemanden. Er trug eine Lederjacke und hatte lange, strähnige Haare.
    »Quilling darf man nicht versäumen«, sagte ich. »Darf ich vorstellen?« Ich zögerte einen Augenblick. »Manuel Kaminski.«
    »Freut mich«, sagte Hochgart und streckte die Hand aus; Kaminski, der klein, auf seinen Stock gestützt, in seinem Wollpullover und seinen inzwischen ziemlich faltigen Cordhosen, neben mir stand, reagierte nicht. Hochgart stockte, dann schlug er ihm auf die Schulter, Kaminski zuckte zusammen, Hochgart grinste mich an und verschwand in der Menge.
    »Was war denn das?« Kaminski rieb sich die Schulter.
    »Beachten Sie ihn nicht.« Verunsichert sah ich Hochgart nach. »Er ist nicht wichtig. Aber es gibt interessante Bilder.«
    »Was interessieren mich interessante Bilder? Sie haben mich doch nicht wirklich in eine Ausstellung geschleppt? Ich habe erst vor einer Stunde eine Schlaftablette genommen, ich weiß kaum, ob ich noch am Leben bin, und Sie führen mich hierher?«
    »Sie wird heute eröffnet«, sagte ich nervös und zündete mir eine Zigarette an.
    »Meine letzte Eröffnung war vor fünfunddreißig Jahren im Guggenheim. Sind Sie verrückt geworden?«
    »Nur ein paar Minuten.« Ich schob ihn weiter, die Leute sahen seinen Stock und seine Brille und machten Platz.
    »Quilling muß es geschafft haben!« rief Eugen Manz, der Chefredakteur des ArT -Magazins. »Jetzt kommen schon die Blinden zu ihm.« Er überlegte einen Moment, dann sagte er: »Lasset die Blinden zu mir kommen!« Vor Lachen mußte er sein Glas abstellen.
    »Hallo Eugen«, sagte ich vorsichtig. Manz war wichtig; ich hoffte sehr auf eine feste Anstellung bei seinem Magazin.
    »Lasset die Blinden zu mir kommen!« sagte er noch einmal. Eine schlanke Frau mit spitzen Wangenknochen strich ihm über den Kopf. Er wischte sich die Tränen weg und sah mich mit verschwommenem Ausdruck an.
    »Sebastian Zöllner«, sagte ich. »Erinnerst du dich?«
    »Sicher«, sagte er. »Weiß ich.«
    »Und das ist Manuel Kaminski.«
    Er richtete seinen wächsernen Blick auf Kaminski, auf mich, wieder auf Kaminski. »Nein, im Ernst?«
    Mir wurde warm. »Natürlich.«
    »Ach«, sagte er und trat einen Schritt zurück. Eine Frau hinter ihm stieß einen Schmerzenslaut aus.
    »Bitte, was ist denn los?« sagte Kaminski.
    Eugen Manz trat auf Kaminski zu, beugte sich vor und streckte ihm die Hand hin. »Eugen Manz.« Kaminski reagierte nicht. »ArT.«
    »Was?« sagte Kaminski.
    »Eugen

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