Ich versprach dir die Liebe: Roman (German Edition)
gefallen? War ihr schlecht?«
Mir war völlig egal, warum es passiert war – für mich zählten nur die Folgen dieses Sturzes. »Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass sie ohnmächtig wurde. Vermutlich sollte Christopher die Leiter unten festhalten, ist aber zwischendurch schiffen gegangen.«
»Matt, also wirklich!«
»Du weißt doch, wie er ist. Mit seinen achtundzwanzig Jahren bringt er Elle nach wie vor dazu, ihm die Fenster zu putzen. Bloß weil ihm der Arsch auf Grundeis geht, wenn er eine blöde Leiter hinaufklettern soll. Traust du ihm nicht zu, dass er einfach weggeht, obwohl man ihn braucht?«
Mom griff nach meinem Ärmel. »Du bist ziemlich durch den Wind und willst irgendwem die Schuld geben.«
Ich machte mich los und bog in den nächsten Korridor ab. »Das einzige Mal, dass Elle je ohnmächtig wurde, war bei der schweren Blutung, als wir Dylan verloren haben.« Selbst für mich als Arzt war es unfassbar, wie viel Blut eine Frau bei einer Geburt verlieren konnte, wenn etwas schiefging. Und damals ging so gut wie alles schief. »Sie wird nicht ohnmächtig.«
Mom blieb stehen. »Bei ihrem Vater hat sie auch schon einmal das Bewusstsein verloren. Auf der Auffahrt zum Haus.«
Ich wandte mich zu ihr um. »Wann war das?«
»Sie war schwanger. Irgendwann vor den ganzen Fehlgeburten. Ich musste ihr schwören, es dir nicht zu erzählen, damit du dir keine Sorgen machst. Sie ist doch nicht etwa wieder schwanger?«
Ich zögerte einen Augenblick, ehe ich antwortete. »Nein, ist sie nicht.« Als ich meine ziellose Wanderung wieder aufnahm, merkte ich, wie schwer es mir fiel, mich der Situation zu stellen. Für den Bruchteil einer Sekunde hatte ich wieder dieses glückliche Herzklopfen gespürt, das mich immer überkam, wenn ich an eine eigene Familie dachte. Aber Elle war nicht schwanger. Nie hätte ich zugelassen, dass sie nach der letzten Erfahrung ihre Gesundheit erneut aufs Spiel setzte. Elle hingegen wollte es gern noch einmal versuchen. Genau darüber hatten wir uns gestritten. Gestern. Gestern erst.
Ich hatte ihren Vorschlag mit einem simplen »Nein« abgetan. Im Neinsagen war ich Meister. Aber immer noch sah ich Elle oben auf der Dachterrasse vor mir. Die Sonne schien und verlieh ihr eine Art Heiligenschein. Ihr Haar wirkte im Gegenlicht so weißblond wie damals, als sie noch ein kleines Mädchen war. Im Lauf der Zeit waren ihre Haare zu einem warmen Honigton nachgedunkelt, doch ihre Augen zeigten noch das gleiche Grün wie früher, das je nach Laune warm und liebevoll schimmerte oder eiskalt funkelte. Gestern war sie wütend gewesen.
Ich lehnte am Pfosten der Speichertür und beobachtete sie – die Wölbung ihres Spanns, die Linie ihres nackten Oberschenkels, ihre mir zugekehrte Hüfte und ihre schmale Taille. Selbst wenn sie sich ärgerte, war sie schön. Vielleicht sogar noch schöner als sonst. Seit ihrer Jugend hatte sie sich kaumverändert. Immer schon war sie entschlossen und bereit, ihre Überzeugungen zu verteidigen.
»Im Leben geht es darum, Chancen wahrzunehmen. Sonst kannst du dich auch gleich in irgendeinem Keller verkriechen.« Sie seufzte, kam zu mir und berührte mein Gesicht mit den Fingerspitzen. »Tut mir leid. Ich weiß, dass der Verlust unseres Babys dich sehr mitgenommen hat. Mich doch auch. Aber wir sollten es wieder versuchen. Ich bin fünfunddreißig, Matt. Ich habe nicht mehr ewig Zeit. Lass es uns noch ein einziges Mal versuchen.«
Zeit.
Vor weniger als vierundzwanzig Stunden wollte sie mich überreden, eine Chance wahrzunehmen. Jetzt war diese Zeit für immer verloren. Elle war verloren. Und ich war verloren.
Nachdem Elle vom OP auf die Intensivstation verlegt worden war, wusste ich nach einem Blick in Phils Gesicht, was er mir mitzuteilen hatte. »Matt«, sagte er und legte die Fingerspitzen aneinander, als wollte er um Vergebung bitten, »ich konnte nicht mehr viel tun. Sie hatte eine Subarachnoidalblutung und axonale Scherverletzungen.« Er hielt einen Moment inne und holte tief Luft. »Das meiste ist nur noch Matsch. Die Ödeme hätten fast ihren Hirnstamm zum Platzen gebracht. Ich habe einen Teil der Schädeldecke entfernt, die Blutung zum Stillstand gebracht, die Hämatome entfernt, soweit ich an sie herankam, aber alles vom Stirnhirnlappen bis zum Scheitellappen ist hin …« Er erging sich weiter in Einzelheiten.
Ich gab keine Antwort. Es ging einfach nicht.
»Sobald die Wirkung der Narkose nachlässt, sollten wir die Untersuchungen zur
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