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Ich war ein Glückskind - mein Weg aus Nazideutschland mit dem Kindertransport

Ich war ein Glückskind - mein Weg aus Nazideutschland mit dem Kindertransport

Titel: Ich war ein Glückskind - mein Weg aus Nazideutschland mit dem Kindertransport Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: cbj Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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Stelle, wenn sie singt: »Keep smiling through, like you always do« – Lächle weiter, wie du es immer tust. Da war ich immer den Tränen nahe.
    Vera Lynn hat viele Menschen zu Tränen gerührt, auch mit ihrem anderen großen Hit: »Die weißen Klippen von Dover«, in dem sie von blauen Vögeln singt, die über die weißen Klippen von Dover fliegen, morgen, wenn die Welt frei ist.
    Bei diesem Lied kam ich immer ins Träumen.
    Liebes Tagebuch,
    heute ist Silvester und ich sitze allein in meinem Zimmer.
    Mrs Rix, Elizabeth und Billy sind früh zu Bett gegangen.
    Phyllis und ich haben in der Küche Fischfrikadellen und Bratkartoffeln gegessen. Ich glaube, die Engländer feiern an Silvester nicht so sehr wie wir in Deutschland.
    1940 – ein ganz neues Jahr beginnt, ein Jahr, das ich ganz allein beginne.
    Ich kann nur beten, dass wir nächstes Jahr wieder Frieden haben und meine Eltern und ich uns wiedersehen werden.
    2. Februar 1940
    Liebste Mama, liebster Papa,
    Ihr wisst nicht, wie sehr ich mich immer freue, wenn ich Post von Euch bekomme und lese, dass es Euch gut geht.
    Heute erzähle ich Euch mehr über meinen Tagesablauf hier in England.
    Abends um zehn gehe ich spätestens ins Bett. Das ist früh genug, Mamilein, denn ich muss erst um halb acht Uhr morgens aufstehen. Mein Bus geht um zwanzig nach acht und ich muss nur sieben Minuten bis zur Haltestelle laufen.
    Ich trage meine alten Sachen, so lange es geht. Leider ist meine neue Jacke zu klein. Ich habe mir marineblaue Wolle gekauft und stricke mir eine neue.
    Ich sitze am Feuer, einer der Hunde liegt auf meinen Füßen, und Mrs Rix sitzt im Sessel und döst vor sich hin.
    Es war so kalt, dass wir zwei Tage lang schulfrei hatten.
    Niemand läuft Ski, fährt Schlitten oder Schlittschuh. Im Winter kann man hier nicht viel tun.
    Deshalb habe ich eine kleine Wanderung nach Cambridge gemacht. Anderthalb Stunden im Schnee, aber es war schön.
    Vielen Dank für die Papierpüppchen. Ich freue mich über sie, denn ich kann mit ihnen Schule spielen.
    Es war eine gute Idee von euch, sie mir zu schicken, denn hier gibt es sie höchstens mal in den Christmas Crackers.
    Draußen liegen mindestens fünfzehn Zentimeter Schnee, es ist bitterkalt.
    Ganz herzliche Grüße und Küsse
    von Eurer Tochter, die immer an Euch denkt,
    Marion
    10. Februar 1940
    Ihr lieben, süßen Goldeltern,
    ich habe schon mein Bett gemacht, mein Zimmer aufgeräumt und das Geschirr abgetrocknet, und nun habe ich Zeit, Euch zu schreiben.
    Heute habe ich eine kurze Geschichte über Peterchens Mondfahrt geschrieben, aber etwas anders als die übliche Geschichte. Es macht mir Spaß, Geschichten zu schreiben.
    Was meint Ihr? Soll ich später Schriftstellerin werden?
    Ich weiß, dass Ihr Euch immer über meine Briefe freut, aber leider habe ich nur am Wochenende Zeit zum Schreiben. Ich freue mich auch immer sehr über Eure Briefe.
    Freut mich, dass es Euch gut geht und dass Ihr voller Hoffnung seid, was die Zukunft betrifft.
    Ja, ich bin ziemlich blass, Mamilein, aber mach Dir keine Sorgen. Jetzt im Winter bin ich nun mal nicht viel an der frischen Luft.
    Im Frühling wird alles besser, und dann macht es wieder Spaß, im Freien zu sein.
    Es ist der kälteste Winter hier seit Langem, sagen alle. Und keiner freut sich über den vielen Schnee.
    Ich habe Frostbeulen, aber die gehen sicher bald wieder weg.
    Stellt Euch vor: Ich habe einen Aufsatz über mein Leben früher in Deutschland geschrieben, und er ist 45 Seiten lang geworden!
    Die Lehrerin hat ihn mit nach Hause genommen, aber sie hat ihn noch nicht zu Ende gelesen.
    Gebe Gott, dass es nicht mehr so lange dauert, bis Ihr ihn auch lesen könnt.
    Das Wetter ist immer noch scheußlich. Der Himmel weint. Hoffen wir, dass er bald wieder lächeln kann.
    Ich hoffe, ich werde morgen von Euch hören, ihr lieben Schneeflöckchen.
    Ich erfinde immer solche Namen, wenn ich besonders innig an Euch denke.
    Oder ich denke etwas, zum Beispiel, wenn ich mich am Abend wasche: »du goldener Seifenschaum«.
    Ach, übrigens, mein liebster Zigarrenpapi, Du hattest recht mit den fünfzig Bürstenstrichen pro Tag. Seit ich das auch mache, glänzen meine Haare wieder viel mehr.
    Am Donnerstag durfte ich mich an einer anderen und besseren Schule vorstellen.
    Ich dachte, die Schulleiterin würde mich nur ungefähr zehn Minuten lang befragen, aber ich musste mich auch in eine Englischstunde setzen, einen Aufsatz über meine alte Schule schreiben und ganz viele Fragen

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