Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich war Hitlerjunge Salomon

Ich war Hitlerjunge Salomon

Titel: Ich war Hitlerjunge Salomon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sally Perel
Vom Netzwerk:
worden
    war. Wir stellten uns ganz in der Nähe auf. Rings um mich
    erreichte die Begeisterung ihren Höhepunkt, als handelte es
    sich um eine Entdeckung, von der der Kriegsverlauf abhing
    und die den ›Endsieg‹ herbeiführen könnte.
    Alle waren in bester Feiertagslaune. Wir fühlten uns mit-
    verantwortlich, hatten wir doch erstklassige Präzisionsteile
    hergestel t und sie in Windeseile vor dem letztmöglichen Termin
    gerade noch fertigbekommen. Die von uns zusammengebau-
    ten Teile waren zum Chassis des neuen Fahrzeugs verwandt
    worden. Auch diese »Räder rollen für den Sieg«, hatte man
    uns gesagt. Plötzlich erscholl das Kommando »Ruhe«. Der
    große Moment war gekommen.
    Wir hörten Motorengeräusche, und dann tauchte auf dem
    Gipfel der künstlichen Anhöhe der Schwimmwagen auf, der
    auf den ersten Blick nicht anders aussah als ein normaler
    Geländewagen. Dann brauste er den Abhang hinab. Die Zu-
    schauer hielten den Atem an und verkniffen das Gesicht vor
    Spannung, bis das Fahrzeug unten klatschend auf dem Wasser
    aufsetzte, das nach allen Seiten hochspritzte. Im selben Au-
    genblick wurde eine Art Schiffsschraube am Heck des Wagens
    130
    angeworfen, und tatsächlich, er ging nicht unter, sondern
    schwamm! Wir waren entzückt, und die anderen auch. Ich
    ließ mich von dem Beifallssturm mitreißen.
    Die Erprobung war gelungen, »das Vaterland gerettet«.
    Trotzdem verhinderte die Erfindung des Amphibienfahrzeu-
    ges die Niederlage nicht.
    Berauscht vom Vergnügen und von der Freude über den
    Erfolg, kehrten wir nach Braunschweig zurück. Die Heime,
    die Klassenräume und Werkstätten füllten sich mit begeister-
    ten Jugendlichen, die nun ein noch stärkerer Schaffens- und
    Tatendrang beseelte.
    Wir lernten noch engagierter, bohrten, schraubten und
    schmierten weiter an unseren kleinen Rädchen in dieser gi-
    gantischen Kriegsmaschinerie. Später wurde hier auch die
    Vergeltungswaffe V1 gebaut.
    Die Bombenangriffe der Alliierten auf Städte und Indu-
    strieanlagen untergruben unterdessen die Moral des Volkes,
    störten nachhaltig das Al tagsleben. Der Sieg wurde ungewisser.
    Mit ihren blauen Augen begannen sie zu sehen, was wirklich
    geschah, und sie zitterten angesichts der Blutströme, die ihre
    Wunden nicht aufhören wollten zu vergießen.
    Eines Tages wurde der Unterricht abrupt beendet. Wir
    wurden aufgefordert, uns in die große Halle der Schule zu
    begeben, um gemeinsam der Rede des Reichspropagandami-
    nisters Joseph Goebbels zu lauschen. Die Rede wurde direkt
    von der Massenversammlung im Berliner Sportpalast über-
    tragen. Doch zuvor zählte der Sprecher die Anwesenden auf:
    In der ersten Reihe saßen Schwerkriegsbeschädigte mit ihren
    Medail en auf der Brust; nicht wenige waren verkrüppelt oder
    noch in Gips, hinter ihnen hatten Wehrmachtsangehörige,
    131
    Abordnungen der braunen und schwarzen Organisationen
    und die Menge der Bürger Platz genommen.
    Ich versuchte mir vorzustellen, was geschehen würde. Hier
    und da wurde wieder Hoffnung laut. Dann erklang Goebbels’
    erregte Stimme, und er heizte die Atmosphäre auf, indem er
    der versammelten Menge einhämmerte, daß die »unendlichen
    Kraftreserven« des deutschen Volkes noch nicht erschöpft seien.
    Er verurteilte scharf die Luftangriffe der »im Dienst der Juden
    stehenden« Engländer und Amerikaner als barbarisch. Dann
    die Eskalation mit der Frage: »Wollt ihr den totalen Krieg?«
    Der Stoff vor den Lautsprechern vibrierte und wollte schier
    zerreißen, als die johlende und enthemmte Menge ihm sein
    »Ja« entgegenbrüllte.
    Der totale Krieg wurde ausgerufen. Das Blut jedes
    feindlichen Fliegers, der auf deutschem Gebiet abstürz-
    te, durfte ungestraft vergossen, er auf der Stelle gelyncht
    werden. In zahlreichen früheren Vorträgen waren die Bri-
    ten als die natürlichen und potentiellen Verbündeten des
    arischen Deutschland dargestellt worden. Aufgrund des
    beiden Völkern gemeinsamen arischen Blutes wurden die
    Engländer aufgefordert, sich Deutschland anzuschließen,
    um das Abendland zusammen von der Gefahr des jüdi-
    schen Bolschewismus zu befreien. Es kam anders, folglich
    wurde Vergeltung geschworen, die V1 gebaut und das Lied
    »Bomben auf Engeland« gesungen.
    Der stellvertretende Bannführer, ein Kriegsversehrter mit
    einer Holzprothese, die ein Handschuh bedeckte, sprach
    mich auf einem Flur des Heims an und teilte mir mit, der
    Bannführer habe die Absicht, mich während des wöchent-
    lichen Appells am

Weitere Kostenlose Bücher