Ich war Hitlerjunge Salomon
kommenden Sonntag allen Schülern des
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Banns 468 vorzuführen. Er hörte kaum noch, was ich auf die
Ankündigung meiner »Eingliederung« erwiderte, so schnell
verschwand er.
Diese Ankündigung stürzte mich aber zunächst wieder ein-
mal in Verwirrung. Fortan und bis zur Stunde des erwähnten
Appells lebte ich in permanenter Angst. Ich empfand einen
tödlichen Schrecken bei dem Gedanken, mich vor Hunderten
von Augenpaaren argwöhnischer und fanatischer Jungnazis
aufzubauen. Ihnen hätten an meiner Abstammung plötzlich
Zweifel kommen können. Die Folge wären dann unliebsame
Fragen und Nachforschungen gewesen. Das Warten auf diesen
Appel und die Befürchtungen, die mich bis dahin Umtrieben,
schlugen mir solch tiefe Wunden, daß sie noch heute nicht
verheilt sind und wohl nie vernarben werden.
In der Nacht, bevor ich vorgeführt wurde, hatte ich einen
Traum. Ich sah mich vor einer Schar von sauber gekämmten
und Ausgehuniform tragenden Nazis stehen. Ihre stechenden
Blicke durchbohrten den Schutzpanzer, hinter dem ich mich
verbarg. Wir warteten auf die Ankunft des Bannführers, was
eine bange Ewigkeit dauerte. Dann kam er und informierte
die angetretene HJ lässig: »Hier, ich bringe euch einen jungen
Juden!« Das Schrecklichste, was geschehen konnte, geschah:
Mit wildem Geschrei stürzten sie sich enthemmt auf mich,
rissen mich in Stücke und spießten meinen Kopf auf den
Fahnenmast.
Dieser Traum verfolgt mich immer noch, fast unverändert.
In dem Augenblick, da mein Kopf auf dem Fahnenmast wak-
kelt, schrecke ich aus dem Schlaf hoch, schweißgebadet und
nach Luft ringend. Während sich die Traumnebel auflösen,
bin ich noch ganz benommen; bin ich aber erst ganz wach,
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stelle ich glücklich fest, daß ich trotz allem noch am Leben
bin. In der Wirklichkeit verlief der Appell ganz anders. Daß
er entgegen meinen schaurigen Vorahnungen so gut ausging,
überraschte mich.
Nach den üblichen Befehlen: »Stillgestanden! Rührt euch!
Achtung! Augen geradeaus!« übernahm der Bannführer das
Kommando, verlas den Tagesbefehl, den ich in meiner Ver-
wirrung weder registrierte, geschweige denn verstand.
Dann kam ich an die Reihe. Er setzte alle offiziell davon
in Kenntnis, daß ich dem Bann zugeteilt worden sei und
meinen Unterricht an der Schule aufgenommen hätte, wie
es die Wehrmacht gewünscht habe, in der ich in der 12.
Panzerdivision an der Ostfront gedient hätte. Er fügte hin-
zu, daß er nun die Erklärung verlesen werde, die die Armee
geschickt habe und die die Unterschrift des Oberstleutnant
Becker trage. Während er damit beschäftigt war und Formu-
lierungen wie »Gute Führung, Tapferkeit und beispielhaftes
Verhalten« besonders hervorhob, entdeckte ich erleichtert, daß
dieselben Augenpaare, die ich so gefürchtet hatte, mich eher
bewundernd, ja voller Hochachtung anblickten. »Als Zeichen
der Anerkennung, dem Vaterland gedient zu haben, hat die
Führung des Banns 468 beschlossen, dem Mitglied der Hitler-
jugend Josef Perjel den Rang eines Scharführers zu verleihen«,
schloß Bannführer Mordhorst feierlich.
Die Bewunderung der anderen hatte ihren Grund. Die
jungen Deutschen waren nämlich alle wild darauf, an die
Front zu kommen und aktiv an den Kämpfen teilzunehmen.
Hatte einer der Schüler das Einberufungsalter erreicht und
flatterte der Stellungsbefehl ins Haus, verbreitete sich die
Neuigkeit in Windeseile, und alle stürzten herbei, um ihm
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zu gratulieren und sich mit ihm zu freuen. Gleichzeitig war
Neid auf denjenigen spürbar, der endlich für Führer undVolk kämpfen durfte.
Und hier, während des Sonntagsappells, verkündete man
ihnen öffentlich, daß ein gerade siebzehnjähriger Neuling
eingetroffen sei, der schon an diesem »ruhmreichen« Krieg
teilgenommen, in einer der Panzereinheiten gedient und Ruß-
land auf Panzerspähwagen durchfahren habe, und all dies
tapfer und beherzt.
Mit einem Schlag waren alle Barrieren zwischen uns ge-
fallen, und ich war kein Fremder mehr, der versuchte, sich in
eine bereits existierende Gemeinschaft einzufügen. Ich wurde
wie ein gleichberechtigtes Mitglied, das die gleiche Achtung
genoß, aufgenommen.
Ich wußte die neue Lage zu schätzen. Ich atmete freier
und fühlte, wie mein Selbstbewußtsein wuchs.
Immer wieder wurden uns die Ziele des Nationalsozialismus
gepredigt, wurde uns eingehämmert, daß wir die zukünftige
Elite einer neuen Ordnung darstellen würden. Mit
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