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Ich war Hitlerjunge Salomon

Ich war Hitlerjunge Salomon

Titel: Ich war Hitlerjunge Salomon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sally Perel
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diesem
    Ziel besuchten uns auch hohe Parteigenossen des Gau Nie-
    dersachsen. Der Bannführer ging ihnen schon beim Empfang
    mit großen raschen Schritten entgegen, schlug die Hacken
    zusammen und hob zackig den Arm. Wir taten es ihm gleich.
    Der Gauleiter wandte sich zu uns um und antwortete mit
    einem knappen »Heil Hitler!« Dann hielt er eine Rede und
    berichtete von seinem Besuch im Führer -Bunker, der Wolfs-
    schanze , von der aus der Führer den Feldzug befehligte. Er sei gekommen, so sagte er, um uns von der großen Gelassenheit
    des Führers , seiner Zuversicht und Standhaftigkeit zu erzählen.
    Er wollte uns überzeugen, daß der Führer die beste Garantie
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    für den Endsieg darstelle. Über die Zukunft sagte er: »Nach
    dem Sieg, wenn wir die ganze Welt beherrschen, werden wir
    hunderttausend Führer brauchen.« Und mit dem Finger auf
    uns zeigend, rief er mit prophetischer Emphase: »Und diese
    Führer werdet ihr sein!«
    In dem mit Hakenkreuzfahnen geschmückten Saal wurde
    es mucksmäuschenstill. Man konnte förmlich hören, wie den
    Heranwachsenden die Brust vor lauter Größe und Ruhmsucht
    schwol . Die Vorstel ung, selbst ein Führer zu sein, verzauberte
    sie. Und sogar Jupp murmelte in sich hinein: »Also, hast du
    gehört, Schloimele? Du könntest eines Tages sogar ein kleiner
    Führer werden …«
    Ende 1942, als die deutschen Erfolge ihren Höhepunkt
    erreicht und der Ost-Feldzug als siegreich beendet angesehen
    wurde, zweifelte niemand von uns am Dritten Reich. Selbst
    Jupp glaubte daran. Ein Sieg folgte auf den anderen, und die
    Propaganda ließ Zweifel gar nicht erst aufkommen. Es war
    schwierig für die Jugend, sich von der strahlenden Zukunft,
    die sie erwartete und die man ihr verhieß, nicht beeindrucken
    zu lassen.
    Hin und wieder beschäftigte mich die Frage, welcher Platz
    und welches Schicksal mir in einem künftigen, die ganze
    Welt beherrschenden Deutschland beschieden sein würde.
    Die Aussicht bedenkend, daß auch ich meinen Teil Ruhm
    abbekommen würde, wie die Parteigenossen behauptet hatten,
    bekam ich eine Gänsehaut, aber wie immer wußte ich mich
    zu beruhigen. Ich zählte auf meine Anpassungsfähigkeit an
    alle Situationen, auch in einem künftigen Deutschen Reich,
    das aus den Trümmern eines »schwachen, verkommenen Eu-
    ropas« erstehen würde.
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    Wie immer auch meine Rol e aussehen mochte – einer Sache
    war ich mir gewiß: Jupp würde niemals das oberste Gebot
    vergessen, das lautete, Salomon zu schützen, dessen Funke
    seines Ursprungs weiterglühte und niemals verglimmen würde.
    Das Leben des Hitlerjungen Jupp nahm seinen vorbestimm-
    ten Gang. Ich war sehr froh, daß Karl R. vom Gericht zu
    meinem Vormund ernannt worden war – für mich war er
    schließlich mehr als der Heimführer. Ich entwickelte eine
    Art Vertrauen zu ihm, denn er war mir von Anfang an offen
    und hilfsbereit gegenübergetreten. Das beruhigte mich und
    gab mir auch immer wieder Sicherheit. So ging ich in seine
    Kanzlei, um mich für seine Bereitschaft, diese Vormundschaft
    zu übernehmen, zu bedanken. Einmal mehr war das eine der
    Gelegenheiten, um zu plaudern und miteinander anzustoßen.
    Er kannte meine wahre Geschichte nicht, und trotzdem fan-
    den wir eine bestimmte Basis, auf der wir uns verstanden.
    Ein neuer Vater oder auch nur Vaterersatz hätte er niemals
    für mich sein können. Welch eine Vorstellung, ging doch
    mein wahrer und geliebter Vater zur gleichen Zeit im Ghetto
    von Lodz an den unmenschlichen und letztlich mörderischen
    Nazi-Verordnungen zugrunde. Ich hatte nur einen Gedanken:
    »Gebt mir, um des Himmels willen, meine verbotenen Eltern
    zurück!«
    Ich zog mich oft zurück, wollte allein bleiben und nahm
    daher nur selten an den Ausgängen in die Stadt teil. Gerne
    hätte ich wie die anderen Mädchen kennengelernt, aber davor
    scheute ich mich. Al e Begegnungen, die die Neugier Fremder
    hätten wecken können, vermied ich. Aber der Zufall wollte
    es, daß mir Ernst Martins, der zweite Volksdeutsche aus der
    Ukraine, ein BDM-Mädel namens Leni Latsch vorstel te. Dieses
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    hübsche Mädchen gefiel mir auf Anhieb. Sie erweckte Liebe
    und Lust in mir, die ich aber unterdrücken und beherrschen
    mußte. In Wahrheit brannte ich vor Begehren, wenn ich dieses
    warmherzige junge Mädchen traf. Leni hatte einen ausgespro-
    chenen Sinn für Humor. Wir ergänzten uns ausgezeichnet.
    Sie war so fröhlich und lebendig, ich so ernst und einsam.
    Wir befreundeten uns und sagten,

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