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Ich war Hitlerjunge Salomon

Ich war Hitlerjunge Salomon

Titel: Ich war Hitlerjunge Salomon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sally Perel
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hatte ich die letzten Wochen
    verbracht, und nun drohte das Kartenhaus plötzlich von neuem
    zusammenzustürzen. Starr vor Angst ging ich zu meiner Vor-
    ladung. Dann gewann mein Optimismus, den ich mir immer
    bewahrt hatte, wieder die Oberhand und verharmloste die
    Sache. Je näher ich meinem Ziel kam, desto mehr verdrängte
    ein seltsames Vertrauen auf meinen guten Stern die Wellen
    der Angst. Ich redete mir ein, daß mir nichts Schlimmes
    widerfahren könne. Ich hatte schon andere Prüfungen über
    mich ergehen lassen müssen und mich jedesmal glänzend
    aus der Affäre gezogen. Auch jetzt würden mir mein guter
    Stern und meine Kraft helfen. Meine Verteidungsstrategien
    funktionierten ausgezeichnet und würden mich auch diesmal
    nicht enttäuschen.
    Ich meldete mich im angegebenen Büro und traf auf eine
    BDM-Führerin, die für Personalfragen zuständig war. Meine
    Art des Hitlergrußes ließ ihr gegenüber keinen Zweifel, auf
    welchem Fundament ich stand. Zumindest bewahrheiteten sich
    meine den ganzen Weg über gehegten Befürchtungen nicht, daß
    mich nämlich Gestapomänner in Empfang nehmen und in die
    Enge treiben würden. Ich lockerte mich etwas und beruhigte
    mich innerlich. Ich dachte nicht mehr an die Anspannung der
    letzten Minuten. Der gleichgültige Gesichtsausdruck der Frau
    deutete nicht daraufhin, daß ich in der Falle saß. Salomons
    Stirn glättete sich, und Jupp holte tief Luft.
    »Bist du Josef Perjell?« fragte die BDM-Führerin.
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    »Jawohl!« antwortete ich schneidig.
    »Wir haben für dich eine Vorladung vom Gericht erhalten.
    Du mußt dich baldmöglichst im dortigen Sekretariat melden.
    Es geht um eine Ordnungsangelegenheit.«
    »Inwiefern?« fragte ich sofort.

Sie konnte meine bange Neugier nicht stil en und vermutete,
    daß es sich um eine bloße verwaltungstechnische Formalität
    handele. Sie riet mir, mich vom Sportunterricht befreien zu
    lassen und gleich morgen früh der Vorladung Folge zu leisten.
    Ich verließ den sonnendurchfluteten Raum. Hitlers übergro-
    ßem Photo gelang es, mich wie eine Spiegelfläche zu blenden.
    Ich hatte vor, mich mit meinem einzigen offiziellen Dokument,
    meiner Mitgliedskarte der Hitlerjugend, zu versehen. Ich hoffte,
    daß der Riesenschwindel am nächsten Tag bei Gericht nicht
    auffliegen würde. Eigentlich war ich davon überzeugt, daß
    man mir der Ordnung halber nun endlich eine Kennkarte
    des Deutschen Reichs aushändigen werde. Dafür wollte ich
    ihnen durch einen besonders strammen Hitlergruß danken.
    Ich ging in meine Klasse und an meine Arbeit zurück. In
    jener Nacht schlief ich trotz al em wunderbar. Müdigkeit und
    Erschöpfung, weil ich mit meinem Zimmergenossen Gerhard
    bis spät in die Nacht gelernt hatte, taten gewiß das Ihre.
    Am folgenden Morgen begab ich mich zu der Dienststelle,
    die mich vorgeladen hatte. Ich ging gemächlich. Den Weg
    kannte ich gut. Meine Kameraden und ich waren ihn oft
    erwartungsvoll zum benachbarten Kino gelaufen, wo wir uns
    die Tonfilme aus der Reichsfilmproduktion ansahen. Wenige
    Häuser vom Gerichtsgebäude entfernt befand sich eine große
    Konditorei. Da ich hin und wieder an ihr vorüberkam, be-
    merkte ich eines Tages ein braunes Schild an der Eingangstür,
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    auf dem in schwarzen Buchstaben deutlich stand: »Für Hun-
    de und Juden verboten«. Gerade deshalb ging ich bei jeder
    Gelegenheit hinein und kaufte Kuchen. Es machte mir Spaß,
    die lächelnde Verkäuferin anzustarren und sie unterwürfig
    danken zu hören. Jetzt verspürte ich allerdings keine Lust
    auf ein Stück Schwarzwälder Kirschtorte.
    Das Gerichtsgebäude war ein majestätischer Bau, der an die
    alten Königspaläste erinnerte. Das Herz schlug mir bis zum
    Hals, als ich eintrat. Der pfeilförmige Wegweiser zeigte mir
    das Sekretariat, wo ich mich an einen Beamten wandte und
    meine Vorladung präsentierte. In Habachtstellung wartete ich
    auf seine Reaktion. »Setz dich«, sagte er höflich und begann,
    in einem Stapel Papier zu wühlen. »Ach ja, es geht um die
    Bestellung eines legalen Vormundes für dich.« Ich schwebte
    im siebenten Himmel. Das drohende Gewitter war abgezogen,
    und an seiner Stelle überfiel mich unbändige Freude.
    Ich sollte meine Identität angeben. Dann legte man mir
    mehrere Formulare vor, und ich unterzeichnete in Gegenwart
    des Beamten ein offizielles Schriftstück über die Bestellung
    eines rechtmäßigen Vormunds. Und wer wurde vor dem Gesetz
    Großdeutschlands für mich als Verantwortlicher

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