Ich war Hitlerjunge Salomon
eingesetzt?
Kein anderer als der ehemalige Offizier der Waffen-SS, der
Heimführer der Hitlerjugend Karl R., mein unmittelbarer
Vorgesetzter. Sofort witterte ich hier eine neue Gelegenheit, mit
ihm auf das bewegende Ereignis mit einem Glas Cognac an-
zustoßen. Hier entstand ein wirklich ungewöhnliches Paradox,
eine in der ganzen Geschichte des Dritten Reichs einzigartige
Anekdote: Ein SS-Offizier nahm – natürlich unwissentlich –
ein jüdisches Kind unter seine Fittiche, um vor dem Gesetz
die Vaterstelle an ihm zu vertreten.
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Unter dem kalten inquisitorischen Blick des Verwaltungs-
beamten unterschrieb ich. In ihrem Eifer und ihrem Wohl-
wollen würden sie eines Tages noch fähig sein, mich mit
einem blondbezopften Mädel zu verheiraten. Diese alberne Idee
war mir plötzlich gekommen. Bester Laune verabschiedete ich
mich von dem Beamten. Fröhlich pfeifend und mit wiegenden
Schritten eilte ich den Weg zurück, um dem Heimführer,
meinem Vormund, seine neue Rolle zu verkünden und ihm
meine Freude über das jetzt zwischen uns geknüpfte Band
zum Ausdruck zu bringen.
Wieder war eine »kleine« Gefahr an mir vorübergegangen:
Ich war glücklich!
Ich rannte den gepflasterten Weg zum Heim 7 entlang,
das um diese Zeit leer war. Auch das Büro des Heimführers
war zu meiner großen Enttäuschung nicht besetzt. Ich klopfte
vergeblich an die Tür. Also zog ich meine Arbeitskleidung an,
um mich zu meinen Kameraden in die Werkstatt zu begeben,
und verschob die Ankündigung der Neuigkeit und meinen
herzlichen Dank an Karl auf später.
Als ich in die Werkstatt zurückkehrte, schauten mich viele
neugierig und fragend an. Ich erklärte ihnen, daß alles in
Ordnung sei und es nur um einige Papiere gegangen war. Ich
nahm meinen Platz wieder ein und arbeitete da weiter, wo
ich am Vortag aufgehört hatte.
Seit 1940 wurde in der KdF -Stadt Wolfsburg mit Hochdruck
an der Konstruktion und Fertigung des VW-Schwimmwagens
gearbeitet. In unserer Werkstatt, die wie die gesamte Schule
mit ihren Heimen zum VW-Vorwerk gehörte, mußten wir
Spezialwerkzeuge für die geplante Massenproduktion dieses
Amphibienfahrzeuges herstel en. Im Herbst 1942 kündigte sich
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in der KdF -Stadtein großes Ereignis an: die erste Probefahrt des Schwimmwagens. Auch wir waren zu diesem Fest eingeladen. In einem geschmückten Omnibus wurden wir zum
VW-Werksgelände in Wolfsburg gebracht, wo die Probefahrt
stattfinden sollte. Wir hatten unsere schönsten Uniformen an-
gelegt und hatten Hakenkreuzfahnen dabei. Die ganze Fahrt
über sangen wir ausgelassen.
Den Anfang des Festes machte eine Besichtigung der
Produktionsstraße des Volkswagenwerks. Die Montagehal-
len, in denen peinliche Ordnung herrschte, waren mehre-
re hundert Meter lang. An den Wänden zeigten Gemälde
Motive aus der germanischen Sagenwelt. In diesen Hallen
trafen wir auch auf holländische, belgische und französische
»Gastarbeiter«, ebenso auf Zwangsarbeiter, die vor allem aus
Polen kamen. Sie mußten natürlich auch an diesem Fest-
tag an den Fließbändern stehen. Weder die einen noch die
anderen fanden unsere Beachtung. Wie wir ja überhaupt
alles verachteten, was »fremd« schien. Man tat außerdem
gut daran, sich Ausländern nicht zu nähern. Die deutschen
Konstrukteure, Ingenieure und Meister erkannte man an
den weißen Kitteln.
Ein Mitarbeiter von Professor Porsche, dem »Vater« des
Volkswagens, führte uns durch die Werkshallen und erklärte
die einzelnen Herstel ungsphasen, angefangen von der Montage
der Blechteile bis zur Lackierung und Endfertigung. Am Ende
der unvorstellbar langen Fertigungsstraße stand der Wagen
funkelnd da und wartete auf die Probefahrt.
Das Volkswagenwerk galt bei den Nazis als Musterbetrieb,
und finanziert wurde es zum Teil auch durch eine einzig-
artige Sparaktion. Jedem Deutschen wurde ein KdF -Wagen
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versprochen: »5 Mark die Woche mußt Du sparen – willst
Du im eignen Wagen fahren!« Am Ende erhielt jedoch keiner
der fleißigen Sparer ein Auto, war es doch bei dieser Aktion
weniger um private Volkswagen als um die Finanzierung von
Kriegsgerät gegangen. Zu diesem Kriegsgerät sollte auch der
Schwimmwagen gehören – eine mißlungene Konstruktion,
die wir damals als Sensation bejubelten.
Nach einem reichhaltigen Mittagessen begaben wir uns
endlich auf das Probegelände. Vor uns erstreckte sich ein steiler
Abhang, an dessen Fuß ein künstlicher See angelegt
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