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Ich war Hitlerjunge Salomon

Ich war Hitlerjunge Salomon

Titel: Ich war Hitlerjunge Salomon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sally Perel
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Vorstellung von der wirklichen Gefahr. Auch
    was die Zukunft für uns bereithielt, konnte ich mir nicht
    ausmalen. Es war mir gelungen, eine Zeitlang der Hölle des
    Dritten Reiches zu entfliehen. Ich war aus Peine, aus Lodz,
    aus Grodno herausgekommen. Meine jetzige dritte Flucht
    von Grodno nach Minsk schien sich dem Ende zuzuneigen.
    In Wahrheit hatte sie gerade erst begonnen.
    Einen Tag nach meiner Ankunft in dem kleinen Dorf
    traf ich frühmorgens auf hohe sowjetische Offiziere, die sich
    über ausgebreitete Landkarten beugten. Die Rangniederen
    sammelten die versprengten Soldaten ein. Sie versuchten, eine
    geordnete Einheit zusammenzubringen, mit der sie die deutsche
    Einkesselung durchbrechen und zu den regulären Verbänden
    stoßen wol ten. Ob es ihnen gelungen ist, habe ich nie erfahren.
    Ich hatte vor, zum nächsten Brunnen zu gehen und einen
    Topf mit Wasser zu füllen, um mir die letzten Nudeln und
    die letzten Zuckerstücke zusammenzukochen. Ich hatte sie
    aus einer russischen Feldkantine mitgenommen, die bei dem
    überstürzten Rückzug liegengeblieben war.
    Unterdessen kamen die Granateinschläge immer näher.
    Tiefflieger feuerten Salven ab, und die verirrten Kugeln pfiffen
    durch die Luft. Mutter Erde bot den einzigen Schutzschild;
    hinter einem Hügel, einem Steinbrocken, einer Anhöhe oder
    in einem Straßengraben konnte ich mich in Sicherheit bringen.
    Plötzlich waren sie da.
    Nachdem sich die Staubwolken verzogen hatten, erkannte
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    ich sie deutlich. Ihre Gesichter waren rußgeschwärzt und staub-
    verkrustet. Große Fahrerbrillen bedeckten Stirn und Augen.
    Die furchteinflößenden Stahlhelme, die grünspanfarbenen
    Uniformen und die schwarzen Stiefel verliehen ihnen das
    Aussehen von Ungeheuern.
    Auf ihre Krad-Beiwagen hatten sie schußbereite Maschi-
    nengewehre montiert.
    Wir saßen in der Falle. Flucht war nicht möglich.
    Plötzlich tauchte am Himmel ein Tiefflieger auf und warf
    Flugblätter ab. Auf russisch und deutsch wurde uns befohlen,
    die Waffen niederzulegen und den Anweisungen des Patrouil-
    lenfahrzeugs Folge zu leisten, das auf einmal vor uns stand.
    Befehle wurden gebrüllt. Dawai! Dawai! – »Los! Los!« Wir
    mußten auf ein leeres Feld gehen und lange Reihen bilden.
    Wir sollten sortiert werden. Ich stellte mich in die längste
    Reihe, in der Offiziere, einfache Soldaten und Zivilpersonen
    standen. Ich war das einzige Kind. Trotz meiner sechzehn
    Jahre sah ich wie ein kleiner Junge aus.
    Stunden wartete ich jetzt schon so, und die Schlange rückte
    langsam zu den deutschen Wachposten vor. Die Gerüchte
    jagten sich. Man flüsterte einander zu, daß die Wehrmacht
    Juden und Politkommissare der Roten Armee nicht, wie
    nach dem Kriegsrecht üblich, in Gefangenenlager brächte,
    sondern sie in den nächstgelegenen Wald trieb und dort
    erschießen würde.
    Die Schlangen wurden von den Soldaten des deutschen
    Kommandos scharf überwacht. Jeder unachtsame Schritt über
    die Linie zog Beschimpfungen, Drohungen und Gewehrsalven
    nach sich. Ich sah, wie russische Offiziere in meiner Nähe
    ihre Abzeichen von den Uniformen entfernten; andere lösten
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    verstohlen den fünfzackigen Stern, das Zeichen des Politruk ,
    vom Ärmel ab.
    Ich begriff, daß jeder Schritt nach vorn ein Schritt dem
    Ende zu war. Denken konnte ich nicht mehr, Angst und Ent-
    setzen lähmten mich, die Zunge lag mir wie ein Bleiklumpen
    im Mund. Ich konnte gerade noch murmeln: »Mama, Papa,
    Gott, wo seid ihr? Ich will noch nicht sterben.«
    Fast schlafwandlerisch, ohne es wirklich überlegt oder ge-
    nau bedacht zu haben, gelang es mir mit dem Mut der Ver-
    zweiflung, mich aller meiner Papiere zu entledigen, die meine
    jüdische Herkunft oder meine Zugehörigkeit zum Komsomol
    bezeugten. Mit dem Schuhabsatz grub ich ein kleines Loch in
    die weiche Erde und stampfte die verräterischen Dokumente
    hinein. Und das vor der Nase der Wachposten! Ich hatte weder
    an die Folgen noch an die Reaktion dieser Ordnungs- und
    Perfektionsfanatiker gedacht, wenn sich ein Junge ohne Aus-
    weispapiere präsentierte. Doch etwas wie eine innere Stimme,
    eine Intuition der Zuversicht, ein Funke Hoffnung, flüsterte
    mir zu: »Das ist nicht möglich, es wird dir nichts geschehen …«
    Ein ähnlicher Hoffnungsschimmer muß auch noch im
    Herzen der zum Tode Verurteilten glimmen, wenn die Hen-
    ker sie aus den Zellen holen, um sie auf ihren letzten Weg
    zu bringen.
    Seit Kriegsende und noch heute sehe ich mich in meinen
    Träumen am

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