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Ich war Hitlerjunge Salomon

Ich war Hitlerjunge Salomon

Titel: Ich war Hitlerjunge Salomon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sally Perel
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ein. Ich betrachtete mich im Rückspiegel
    eines abgestellten Fahrzeugs.
    Auf meiner Brust sah ich das Abzeichen mit dem preußi-
    schen Adler, der das Hakenkreuz in seinen Raubvogelkrallen
    hielt. Man bat mich, die Mütze mit den schwarz-weiß-roten
    Streifen aufzuprobieren. Das ernüchterte mich vollends. Ich
    fand mich erschreckend. Rings um mich, den kleinen Salomon,
    war ein blutrünstiger Krieg im Gange – und ich steckte in
    einer Nazi-Uniform! Es überrieselte mich eiskalt von Kopf bis
    Fuß. Die Situation überforderte mich völlig, und ich wußte
    nicht, wie ich mich verhalten sollte. Ich hatte Angst vor mir
    selbst und vor den anderen, die mich umgaben. Wen von
    beiden ich mehr fürchtete, ist nicht sicher. Ich, das jüdische
    Kind, hielt mich beim grausamsten Feind auf, und ich mußte
    all meine Kräfte aufbieten, um die Nerven zu behalten und
    zu verhindern, daß die gefährliche Wahrheit ans Licht kam.
    Mit Todesangst im Herzen und schreckensbleichem Ge-
    sicht war ich vor ihnen geflohen, seit ich denken kann. Und
    jetzt befand ich mich in ihrem Lager, trug ihre Uniform
    und gab vor, an einem sicheren Ort und in meiner Heimat
    angelangt zu sein. Der Spiegel warf mir das Bild der Uniform
    auf meinem abgemagerten Leib zurück, der Uniform, vor der
    ich aus Peine, aus Lodz, aus dem Waisenhaus geflohen war.
    Vielleicht war dies auch nur ein böser Traum, aus dem ich
    sogleich erwachen würde. Aber ich öffnete die Augen und
    erkannte, daß dies die neue Wirklichkeit war. Ich weigerte
    mich zu glauben, was meine Augen sahen. Die aberwitzigsten
    Wahnvorstellungen hätten sich eine derartige Umkehrung der
    Situation nicht ausdenken können. Was ich empfand, hätte nur
    ein in die Höhle des Löwen geworfenes Schaf nachempfinden
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    können. Nach langen Minuten hatte ich den Schock des jähen
    Wechsels überwunden.
    Jetzt dachte ich fieberhaft an die Antworten, die ich zu
    geben, und das Verhalten, das ich an den Tag zu legen hatte.
    Ich war noch in Gedanken, als man mich aufforderte, vor den
    Feldwebel zu treten. Er saß in einem blauen Volkswagen, der
    der Kompanie als fahrende Schreibstube diente. Neben dem
    Lenkrad war ein Brett mit einer Schreibmaschine befestigt,
    den Wagenfond fül ten Regale mit Verwaltungsakten aus. Die
    germanische Ordnung.
    Ich näherte mich ihm. Als ich mich auf gleicher Höhe mit
    ihm befand, ergriff er sogleich einen Stift und sagte: »Deine
    Papiere bitte!«
    Meine Zunge war wie gelähmt, und ich konnte kaum
    hinunterschlucken, was mir ein paar Sekunden Bedenkzeit
    verschaffte. Sagte ich die Wahrheit, gestand ich, meine Papie-
    re in der Erde vergraben zu haben, war mir der Tod gewiß.
    Ich wußte, daß ich eine plausible Geschichte erfinden mußte.
    Nun aber hatte man mich bisher nicht gelehrt, auf Anhieb
    prompt und glaubhaft zu lügen. Das haben die Umstände
    und die Nazis zuwege gebracht. Schnell ließ ich mich von
    den überlebensnotwendigen Hirngespinsten mitreißen.
    Die Lüge kam binnen Sekunden: »Herr Feldwebel, al meine
    Ausweispapiere wurden durch den massiven deutschen Ar-
    tilleriebeschuß des eingekesselten Gebiets, in dem ich mich
    aufhielt, vernichtet«, antwortete ich selbstbewußt und ohne
    den geringsten Zweifel an der Glaubwürdigkeit meiner Wor-
    te aufkommen zu lassen. »Ach, du armer Kerl!« sagte der
    Deutsche und lächelt mir verständnisvoll zu. Er nahm ein
    leeres Blatt Papier und fragte: »Wie heißt du?« Unwillkürlich
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    nannte ich meinen richtigen Namen: Perel, und sofort schrillte
    eine Alarmglocke in meinem Gehirn, Salomon, was hast du
    gemacht? Du hast mit deinen eigenen Worten deine einzige
    Überlebenschance zerstört! Perel ist ein ausgesprochen jüdi-
    scher Name.
    Offenbar war ich noch nicht geübt genug; ich hatte nicht
    ganz begriffen, worum es ging, auch nicht, daß fortan jede
    Minute meines Lebens von der Verschleierung der Wahrheit
    und den spontan erfundenen Notlügen abhängen würde, ohne
    die ein Überleben unmöglich war und die meine einzigen
    Waffen darstellten.
    Zum Glück konnte er meine Antwort wegen des Bomben-
    lärms der Stukas und der brummenden Motoren der uns in
    Wellen überfliegenden Doppeldecker nicht recht verstehen,
    und so fragte er nach: »Wie? Wie?« Man gewährte mir also
    noch eine Galgenfrist. Mir war klar, daß ich einen anderen
    Namen finden mußte, der aber nicht völlig anders klingen
    durfte – wie etwa Stuttwaffer oder Müller –, und ich erwi-
    derte: »Ich heiße Perjell.«
    Ich hatte

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