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Ich war Jack Falcone

Ich war Jack Falcone

Titel: Ich war Jack Falcone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joaquinn Garcia
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hätten die Bänder redigieren sollen, um mein Inkognito zu wahren. Das war mein Fehler gewesen; aber wer dachte an solche Feinheiten, als wir noch ermittelten?
    Am Tag der Verhandlung hoffte ich, dass Greg sich verteidigen würde. Ich habe vor Gericht oft erlebt, dass ein Angeklagter in letzter Minute um ein mildes Urteil bat. Ich beobachtete Greg und dachte: Der arme Kerl ist 73. Er könnte im Gefängnis sterben – wofür? Für welche Prinzipien? Für die Einheit der Mafia? Kein Einziger der 31 anderen Angeklagten war ein Gangs­ ter der alten Schule, der den Prozess und die Gefängnisstrafe einfach hinnahm. Alle handelten mit dem Staatsanwalt, auch der Boss. DePalmas ­Angehörige tauchten in keiner Verhandlung auf. Seine Frau und sein anderer Sohn wollten nichts mit ihm zu tun haben. Sie wuschen ihre Hände in Unschuld wie Pontius Pilatus. Er war wirklich der letzte standhafte Mafioso, der letzte, der die Ehre der Cosa Nostra – soweit vorhanden – über seine Freiheit stellte.
    Besonders empört war ich darüber, dass seine Frau sich gegen ihn wandte. Sie trug eine goldene Rolex President – das wusste ich, weil ich sie ihr geschenkt hatte. Dank der Umschläge, die er bekam, und der Geschäfte, in die er seine Krallen versenkt hatte, konnte sie sich hübsch anziehen, teuren Schmuck kaufen und vieles mehr. Trotzdem ließ sie ihn im Stich. Gregs Familie hätte da sein sollen. Dies war das einzige Mal, dass er mir irgendwie leidtat. Er war gerne Mafioso, aber niemand war für ihn da. Alle verließen ihn. Er leistete seinen Beitrag; aber für ihn blieb nichts ­übrig. Das war traurig.
    Sein Clan war fertig mit ihm, weil er mich herumgeführt hatte. Er war dafür verantwortlich, dass die Gambino-Hierarchie nach John Gotti zerschlagen wurde und dass Mitglieder der Familien Lucchese und Genovese verhaftet wurden. Das alles ließ Greg kalt. Er ging das Risiko ein – er stellte sich dem Gericht.
    Der Prozess fand im Bundesgericht in Foley Square in Lower Manhattan statt. Die zwölf Geschworenen waren ziemlich jung und gehörten verschiedenen Rassen an. Man sagte ihnen, sie hätten mit einer Verhandlungsdauer von zwei bis drei Wochen zu rechnen. Für uns war es einfach. Wir hatten alles gründlich vorbereitet. Anfangs wussten wir nicht, wie DePalma sich verteidigen wollte, weil seine Anwälte sofort einräumten, dass er dem Gambino-Clan angehörte. Wenn es um das organisierte Verbrechen ging, war die erste Voraussetzung für einen Schuldspruch die Mitgliedschaft in einem kriminellen Unternehmen oder in einer kriminellen Organisation – und genau das gaben sie zu. In seinen früheren Verfahren hatte DePalma nie zugegeben, ein Gambino zu sein. Ich nehme an, dass er es sich anders überlegt hatte, weil ich so viele Gespräche mit ihm aufgezeichnet hatte, in denen er sich selbst als Gambino bezeichnete.
    Wie sich herausstellte, bestand ihre Taktik darin, Greg DePalma als alten Mann darzustellen, der gerne übertrieb und in der Vergangenheit lebte. Bei den Prahlereien und Drohungen, die er vor mir geäußert habe, handle es sich lediglich um die Übertreibungen eines alten Mannes, dessen Erinnerungen lebhafter als seine Gegenwart seien. Greg sah nicht sehr bedrohlich aus. Seine körperliche Verfassung war bemitleidenswert. Im Gericht erschien er jeden Tag mit zwei Rettungssanitätern, die hinter ihm stehen blieben. Es war eine große Show, um die Geschworenen zu beeinflussen. Er pflegte während der Verhandlung zu dösen und zu sabbern. Dabei sank er im Rollstuhl zusammen und atmete Sauerstoff ein. Seine Anwälte wollten, dass ihr Mandant die Verhandlung auf einer fahrbaren Krankenbahre verfolgte; aber Alvin Hellerstein, ein erfahrener Richter, lehnte dieses offenkundige Werben um Mitleid ab.
    Einer unserer Zeugen war ein Bauunternehmer in den Dreißigern, von dem Greg im Laufe von etwa zwei Jahren 50 000 Dollar erpresst hatte.
    »Fürchten Sie sich vor Greg DePalma?«, fragte der Staatsanwalt vor den Geschworenen.
    »Ja«, sagte er. »Er war kein alter Mann. Er war ein harter Mann.«
    »Glauben Sie, dass Sie sich wehren könnten, wenn er Sie angreifen würde?«, wollte der Verteidiger wissen.
    »Ehrlich gesagt, nein«, erwiderte er und löste damit Gelächter unter den Geschworenen aus.
    Sie warfen Greg einen Blick zu, einem Mann in den Siebzigern, der mit Schläuchen in der Nase im Gerichtssaal saß und um Mitleid bettelte. Die Zeitungen nannten den Zeugen einen Feigling; aber Gregs bloße Anwesenheit beschwor den

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