Ich war Jack Falcone
legen nicht so viel Wert auf Pünktlichkeit wie das Militär oder die Polizei. Dealer kreuzen auf, wenn sie aufkreuzen. Erfreulicherweise verspäteten diese sich nur um 45 Minuten, nicht schlecht in der Drogenwelt. Dann ging alles schief.
Wir hatten abgesprochen, dass ich neun Kilo erstklassiges Kokain kaufen würde; aber die Dealer hatten keine Drogen dabei. Plötzlich spielten wir Scarface : »Habt ihr den Stoff?«
Sie erwiderten: »Hast du das Geld?«
Niemand hatte etwas dabei. Es war eine Pattsituation. Mein sechster Sinn sagte mir, dass die Lage ernst wurde.
Die Typen behaupteten, die Ware würde jeden Augenblick da sein; und fünf Minuten später kam ein Kolumbianer. Also gingen wir rüber zu ihm – die zwei Gangster von der 123. und Lenox, die ich am Abend zuvor getroffen hatte, und ich. Der Kolumbianer wollte wissen, ob man dem Vermittler, der uns zusammengebracht hatte, trauen könne. Ich sagte, ich sei ihm noch nie begegnet, aber mein Partner kenne ihn. Das Vertrauen, das bei Drogengeschäften ohnehin rar ist, schwand rasch dahin. Immer mehr Leute erschienen – drei Partner des kolumbianischen Drogenhändlers. Plötzlich bildete eine Gruppe auf dem Parkplatz vor dem Georgia Diner einen Kreis.
Es war Mittagszeit. Jede Menge Zivilisten spazierten durch unseren »Drehort«. Jetzt waren es also sechs Gangster, ich und die beiden V-Männer, die den Fall ins Rollen gebracht hatten. Neun Leute standen herum, und keiner wusste, was vor sich ging oder was gleich passieren würde. Der eine bürgte für den andere n … und den Kolumbianern gefiel die Sache überhaupt nicht.
»Hört zu, Jungs«, sagte ich, während meine Verzweiflung wuchs. »Ziehen wir’s durch oder nicht?«
Ich wollte nicht den Eindruck erwecken, als wäre dies für mich das erste Mal. Ich wollte die Lage wieder im Griff haben.
»Nicht hier«, antworteten die Kolumbianer nervös. »Hier sind zu viele Augen. Wir haben ein Versteck um die Ecke. Dort ist der ganze Stoff. Du kannst Proben entnehmen und deine neun Kilo selbst aussuchen. Beide Seiten lassen als Absicherung einen Mann zurück, und dann gehen wir.«
Den jugendlichen Gangstern gefiel diese Idee, und sie bestanden darauf, dass ich mit den Kolumbianern in deren Unterschlupf ging. Sie würden für meinen Schutz sorgen. Aus irgendeinem Grund vermutete ein Kolumbianer – mit Recht, wie sich herausstellen sollte –, dass Cops in der Nähe waren. Er merkte nicht, dass ich undercover arbeitete, aber sein sechster Sinn, geschärft durch seine Erfahrungen als Drogenhändler, musste ihm gemeldet haben, dass nicht alles so war, wie es sein sollte. Im Versteck konnten wir den Handel ohne neugierige Augen abschließen. Wie es bei Dealern üblich war, würde ein Mann als menschliches Pfand zurückbleiben. Falls etwas schiefging, würde man ihn umlegen.
Jetzt zahlte sich meine Erfahrung als verdeckter Ermittler aus, vor allem die in den Badlands. Nichts auf der Welt konnte mich dazu bringen, die Sicherheit des »Drehortes« aufzugeben, wo wir Polizisten die Oberhand hatten, und in einen geheimen Unterschlupf zu gehen, wo Gott weiß was pas sieren konnte. Ein jüngerer, übereifriger Kollege hätte vielleicht die Chance genutzt, den Schlupfwinkel der Ganoven aufzuspüren. »Großartig«, würde er denken, »jetzt bekommen wir nicht nur die neun Kilo, sondern das gesamte Lager! Stell dir vor, wie dieser eine Einsatz sich auf meine Karriere auswirkt!« Ich hingegen überlegte, wie der Gang zu diesem Ver steck sich auf meine Lebenserwartung auswirken würde. Die Antwort gefiel mir nicht.
Ich musste schnell reagieren. »Das kommt nicht in Frage«, sagte ich zu den Kolumbianern. »Ich habe gestern Abend meine madrina gefragt, und sie riet mir, das Geschäft mittags und hier abzuschließen.«
Eine Madrina ist eine Priesterin oder Seherin des Santería-Kultes, einer Sekte, die in vielen spanisch sprechenden Gegenden verbreitet ist. Was die Madrina sagte, wurde gemacht. Wer ihren Rat missachtete, brachte sich in Gefahr. Ich verkleidete mich oft als santero und trug dabei die bunten Santería-Halsbänder und den Goldschmuck der Sektenanhänger.
Die Kolumbianer waren verärgert. Sie hatten keine Lust, mit mir vor dem Restaurant zu verhandeln, und ich wollte sie nicht zu ihrem Unterschlupf begleiten. Um die Spannung abzubauen, bat ich mir Zeit für ein Gespräch mit meinem Partner aus – dem V-Mann. Während wir uns unterhielten, gingen wir über den Parkplatz zum Lieferwagen des FBI, in dem
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