Ich war zwölf...
hinlegen, damit er nicht mehr an meinen Bauch denkt?
Es war ein sonniger Ferientag. Ein
ganzer sonniger Ferienmonat ist vorübergegangen, und ich habe nichts mehr
gesehen, nichts mehr gedacht, nur daran. Die Tage waren lang und verschwommen,
unmöglich, mich zu erinnern, was ich getan habe. Was ich gesagt habe. Ich habe
die ganze Zeit gelogen. Wenn man ständig lügt, weiß man nicht mehr, wen man anlügt
und warum. Ich glaubte, daß der Schulanfang etwas ändern würde. Sobald diese
Höllenferien zu Ende gingen und die Schule mich schützen würde. Was Franck
betrifft, so hatte ich mir für die Freundinnen Lügen zurechtgelegt. Ich konnte
meinen Text auswendig, wie eine Schauspielerin. Ich hatte die Hauptrolle in
dieser Geschichte. An dieses Gefühl erinnere ich mich genau. Isoliert zu sein,
Lügen auszudenken. Franck war in meinem Leben wichtig gewesen. Die
Vergewaltigung meines Vaters hatte ihn eben davon ausgeschlossen, und es schien
mir, das Wesentliche meiner Lügen müsse sich darauf lenken. Eine kindliche
Reaktion. Den Bruch mit meinem Freund rechtfertigen. Das Übrige, die Details
der Tage und Nächte gehen wiederum in einem Schleier aus Ekel und Aggressivität
unter. Ich war auf alle Leute zornig.
Trotzdem ist der September schnell
gekommen. Fragen Sie mich nicht, wie oft ich während dieser Zeit diesen
Dreckskerl und seine Begierden ertragen mußte. Ich werde es nicht
zusammenzählen. Ich werde Ihnen nicht zehnmal diese Vergewaltigungen erzählen.
Ich kann mich nicht einmal mehr an alles erinnern. Ich haßte ihn so sehr, daß
ich nicht mehr fähig war zu weinen. Nichts und niemand machte mir Angst.
Er hatte beschlossen, mich zu seiner
Arbeit außerhalb der Stadt mitzunehmen. Für ihn eine gute Lösung. Das
verhinderte den Kontakt mit meiner Mutter, und ich kam nicht in Versuchung,
etwas auszuplaudern. Diese Tage mit ihm, diese langen Tage, waren die Hölle. Er
konnte es nicht unterlassen, darauf anzuspielen, was am Abend geschehen würde.
Offiziell war ich da, um ihm bei der Geschäftsführung zu helfen. Ich begrüßte
die Kunden, ich kassierte die Rechnungen für die Reparaturen ein. Das war nicht
schwer für mich, oft sagten die Kunden:
»Sie macht das wirklich gut für ihr
Alter...«
Ich weiß, ich war geschickt. Ich wirkte
älter, als ich war, ich begriff schneller, ich konnte schon mit zwölfeinhalb
eine Rechnung aufstellen und die Mehrwertsteuer berechnen. Wenn das nicht
Ausbeutung war! Ich tippte auf der Maschine, ich konnte sogar einen einfachen
Defekt bei einem Autoradio feststellen und ihn allein reparieren. Ich erinnere
mich an die ungläubige Miene eines Kunden an dem Tag, als ich damit zugange
war. Er traute mir nicht. Eine Göre mit langen schwarzen Haaren im Gesicht, die
ihn fachkundig anschaute und sagte: »Ich repariere es, und wenn es nicht
funktioniert, rufen Sie meinen Vater, einverstanden?«
Ich habe es repariert, und er war
baßerstaunt. Gute Schülerin, die Kleine. Geschickt, die Kleine. Groß für ihr Alter,
die Kleine. Die Beste in der Schule, die Kleine. Gehorsam und überhaupt alles.
Ein wahres kleines Genie. Deswegen war ich auf die Schnauze gefallen. Das hatte
ich nun von all den guten Eigenschaften. Jetzt saß ich in der Tinte.
Der Abend kam, und der Alptraum begann
wieder. Ich mußte diesem widerwärtigen Kerl in allem zu Willen sein, wann er
wollte, wo immer er wollte. Und meine Klappe halten. Sagte ich irgend etwas,
bemerkte er es nicht einmal. Wie oft habe ich versucht, nein zu sagen, mich
fortzustehlen, den Kopf wegzudrehen, seinen Händen zu entrinnen. Wie oft habe
ich die Augen geschlossen, um sein Glied nicht sehen zu müssen. Versuchte, mich
abzukapseln, zu Stein zu werden. Ja, zu Stein. Ohne Haut, ohne Nerven, ohne
Magen, der sich umdreht, ohne Gedärm, das rebelliert, ohne Augen, um zu sehen,
ohne Ohren, um zu hören. So sehr ich auch vorgab, aus Stein zu sein, es gelang
mir nicht wirklich. Er hatte Einfälle, Phantasmen, wie man sagt.
Ich hatte nur eine Angst, daß er wieder
mit seinem großen Ledergürtel auf mich einschlagen würde. Für ihn war es
einfach: Um keinen Schmerz zu empfinden, mußte man das erst einmal mögen und
danach niemandem etwas sagen. Vorrangig war, unter keinen Umständen zu zeigen,
daß sich etwas Verdächtiges abspielte oder daß ich ein Problem hatte.
Er sagte:
»Ich werde dich immer verteidigen, was
auch immer geschieht, wenn du unser Abkommen einhältst.«
Vielleicht gebrauchte er das Wort
»Abkommen« nicht. Aber ich
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