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Ich war zwölf...

Ich war zwölf...

Titel: Ich war zwölf... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nathalie Schweighoffer
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dir
gesagt?«
    »Und die Rechnungen? Ich habe den Brief
getippt, aber da sind noch die Rechnungen...«
    Absichtlich habe ich sie nicht
fertiggestellt. Aber das funktioniert nicht.
    »Das eilt nicht.«
    Er trinkt, ich trinke, er lächelt mich
an, ich habe Lust, ihm sein Glas in die Fratze zu werfen. Er wartet ab, damit
er sicher sein kann, daß alle schlafen. Er gibt keinen Laut von sich, während
er die Tür einen Spaltbreit öffnet.
    »Komm jetzt ins ‘Wohnzimmer.«
    Das Wohnzimmer, das bedeutet Videogerät
und Pornokassetten.
    Er befiehlt mir, mich auf das Sofa zu
setzen, stellt das Gerät an und setzt sich neben mich. Sobald er sich mir auf
weniger als einen Meter nähert, verwandle ich mich in einen Holzklotz, in
Stein. Der Film beginnt mit einer seichten Musik, dann werden zwei Männer und
drei Frauen auf der Leinwand sichtbar, alle nackt. Das mußte so kommen. Wieder
einer dieser ekelhaften Filme.
    »Es ist eine Sexorgie, du wirst sehen...«
    Der Widerling. Hoffentlich phantasiert
er nur über seinen Film und gibt sich damit zufrieden! Wenn er mich nur nicht
anrührt!
    »Zieh dich aus! Streif dein Nachthemd
über!«
    Auf Zehenspitzen gehe ich durch das
Zimmer, den Flur, ich komme in mein Zimmer, ich ziehe mich im Dunkeln aus, ich
ziehe dieses Nachthemd an, das nie lang genug ist, um mich zu schützen. Ich
gehe denselben Weg in entgegengesetzter Richtung zurück. Mit jedem Mal habe ich
mehr und mehr Angst vor dem, was er erfinden wird.
    Ganz einfach, er will die Akteure
nachahmen. Er will zur selben Zeit dieselben Dinge machen.
    Unmöglich zu entrinnen, sich zu
entziehen, seinen schmutzigen Pfoten auszuweichen. Er hat sein Monstergesicht.
Das ist etwas nach seinem Geschmack, Pornos anschauen und sie nachspielen.
    In solchen Momenten spricht er nicht,
der Filmton ist leise, seine Besessenheit nimmt ihn völlig ein, und mir
schwirrt der Kopf. Er zieht mich an den Haaren, meine Kopfhaut tut mir weh.
    Er war lang, dieser verdammte Film, er
war endlos. Ich schaute woanders hin, betrachtete den Stoff des Sofas, die
Teppichfransen, die Decke, ich biß die Zähne zusammen und hoffte verzweifelt,
er möge zu Ende gehen.
    Wie gewöhnlich fühlte ich nichts als
Ekel, Verachtung für diesen Hampelmann, der sich in lächerlicher Weise hin- und
herwand. Jede Geste, die ich vermeiden oder im Leeren verpuffen lassen konnte,
war ein kleiner, unendlich mühevoller Sieg. Und er wurde immer wütender. Er
hatte gehofft, der Alkohol käme ihm zu Hilfe und würde mich betrunken machen,
damit ich sein Ziel erreiche: einen Orgasmus erleben. Er hatte sich einmal mehr
verkalkuliert, der Dummkopf. Oh, ich weiß, sie war gering, meine klitzekleine
jämmerliche Rache, aber er konnte nichts dagegen ausrichten. Und ich genoß
trotzdem meine Macht. Ich symbolisierte ein endgültiges NEIN. Das einzige, was
mir der liebe Gott als Kampfinstrument gelassen hatte, war diese vollkommene
Unfähigkeit. Ihm zufolge gab es keine frigiden Frauen, sondern nur »rigide«
Männer. Ohne mir dessen wirklich bewußt zu werden, hatte ich die Macht, ihm
durch meine einfache und normale Frigidität Schach zu bieten. Man mußte so
verrückt wie er sein, um etwas anderes zu erhoffen. Das machte ihn irrsinnig
zornig. Auf seine erbärmliche Art tat er natürlich so, als bemerke er meinen
Ekel nicht. Er schrie mich an, daß ich ihn nicht liebte, daß es schändlich sei,
seinen Vater nicht zu lieben und ihm keinen Gefallen zu tun...
    »Die Liebe zwischen Tochter und Vater
müßte wieder eingeführt werden. Nur Dummköpfe erklären sie zum Tabu.«
    Nur vor mir entwickelte er seine
Theorie, hatte er keine Angst, seine Scheißphilosophie auszubreiten. Nie habe
ich ihn zu anderen davon sprechen hören.
    Ich bot ihm Schach, aber der kleine
Sieg war ein zweischneidiges Schwert. Denn je mehr ich ihm auswich, angeekelt,
in einen Steinklotz verwandelt, desto hartnäckiger wurde er.
    »Gehen wir ins Büro zurück.«
    Gereizt zieht er mich wieder in dieses
Teppichbodenreich, das muffig und nach Klebstoff riecht. Er verriegelt die Tür,
er legt ein Handtuch über das Schlüsselloch für den Fall, daß jemand
hindurchschaut. Wiederum gießt er Champagner ein. Ich muß trinken, besoffen
sein, damit es funktioniert. Ich muß nackt sein. Er hat es satt. Um so besser.
Damit endlich Schluß ist. Der Alkohol hat ein Loch in meinem Magen
hinterlassen, aber weder im Kopf noch anderswo etwas bewirkt.
    Er bleibt unnachgiebig. Warten, bis er
mit seinem klebrigen Dingsda, seinem Orgasmus,

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