Ich weiss, dass du luegst
erscheinen, auch wenn es nicht zutrifft. (Siehe die Diskussion über den Othello-Effekt auf den Seiten 220-223.)
Teilt der Lügner die Werte der Person, die er belügt, und sie respektiert, besteht die Chance, dass der Lügner sich schuldig fühlt und deshalb Verhaltenshinweise die Lüge verraten oder zu einem Geständnis führen. Aber der Lügenermittler darf nicht der Versuchung erliegen, sich zu überschätzen und unverdient zu viel Respekt vorauszusetzen. Die misstrauische oder überkritische Mutter muss über so viel Selbsterkenntnis verfügen, nicht zu glauben, dass sich ihre Tochter schuldig fühle, wenn sie sie belügt. Der unfaire Arbeitgeber muss wissen, dass seine Angestellten ihn für ungerecht halten, und darf daher nicht mit Anzeichen für Schuldgefühle rechnen, die ihren Betrug verraten.
Es ist unklug, seinem Urteil, ob jemand lügt, zu vertrauen, ohne das geringste Wissen über den Verdächtigen oder die Situation zu haben. In unserem Lügenermittlungstest hatte der Lügenermittler keine Gelegenheit, mit der zu beurteilenden Person vertraut zu werden. Die Entscheidungen darüber, ob jemand log oder ehrlich war, mussten auf der Grundlage getroffen werden, diese Person nur ein einziges Mal gesehen und keine weiteren Informationen über sie zur Verfügung zu haben. Unter diesen Umständen trafen nur sehr wenige Personen korrekte Urteile. Es war nicht unmöglich, sondern nur schwierig für die meisten Teilnehmer. (Später im Kapitel wird erklärt, wie die Testpersonen ein korrektes Urteil mit so wenigen verfügbaren Informationen fällen konnten.) Bei einer anderen Version dieses Tests tritt jede Person zweimal auf. Können Lügenermittler das Verhalten der Person in zwei Situationen vergleichen, ist ihr Urteil präziser, obwohl selbst dann die meisten nur geringfügig besser sind, wenn sie die Antwort dem Zufall überlassen hätten.| 3
Die Lügencheckliste in Kapitel 8 hilft einzuschätzen, ob eine Lüge, bei der viel auf dem Spiel steht, von Verhaltenshinweisen begleitet wird, und wenn ja, ob sie dem Ermittler nützlich sind oder ihn in die Irre führen. Anhand der Liste kann er feststellen, ob Furcht vor Entlarvung, Schuldbewusstsein für die Täuschung oder Freude an der Überlistung im Spiel ist. Dabei ist es doch nicht immer möglich, aus Verhaltenshinweisen auf ein Täuschungsmanöver zu schließen. Er darf seine Fähigkeiten nicht überschätzen, eine Lüge entlarven zu können, um die Ungewissheit auszuräumen, ob ein Verdächtiger die Wahrheit sagt oder nicht.
Obwohl der Secret Service die einzige Berufsgruppe war, die besser abschnitt, als reine Zufallsergebnisse es vermocht hätten, gab es in jeder Gruppe einige Personen, die ebenfalls eine hohe Punktzahl erreichten. Es bleibt zu erforschen, warum ausgerechnet bestimmte Menschen bei der Aufdeckung von Täuschungen sehr genau sind. Wie haben sie das gelernt? Warum lernt nicht jeder, Lügen genauer zu entlarven? Ist es wirklich eine Fertigkeit, die man erlernen kann, oder ist es eher eine Gabe, die man hat oder nicht? Diese Frage stellte sich, da meine elfjährige Tochter fast genauso gut war wie die besten Beamten vom Secret Service, ohne dass sie Artikel und Bücher gelesen oder ein besonderes Talent hätte. Könnte es sein, dass die meisten Kinder Lügen besser aufdecken können als Erwachsene? Auch dieser Frage wird in Studien nachgegangen.
Ein Anhaltspunkt für die Beantwortung der Frage, warum manche Menschen gute Lügenermittler sind, ging aus den schriftlichen Antworten hervor, die unsere Testpersonen nach Beendigung des Tests gaben. Sie sollten angeben, welche Verhaltenshinweise sie bei der Beurteilung einer Person als Lügner berücksichtigten. Quer durch alle Berufsgruppen wurden die Angaben derer, die richtiggelegen hatten, mit denen verglichen, die sich geirrt hatten. Die erfolgreichen Lügenermittler nutzten die Informationen aus Gesicht, Stimme und Körper, während die irrenden Testpersonen nur das Gesprochene nannten. Dieses Ergebnis bestätigt die Erörterungen in den vorangegangenen Kapiteln dieses Buches: Die besseren Ermittler wussten, dass es viel einfacher ist, Worte zu verheimlichen, statt Ausdrucksverhalten, Stimme oder Körperbewegungen zu beherrschen. Nicht dass Worte unwichtig sind - sehr oft können Widersprüche im Gesagten äußerst aufschlussreich sein, und anspruchsvolle Sprachanalysen können durchaus Lügen offenbaren| 4 -, dennoch sollte man sich nicht allein auf den Inhalt der Rede konzentrieren. Es
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