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Ich weiss, dass du luegst

Ich weiss, dass du luegst

Titel: Ich weiss, dass du luegst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Ekman
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Elastizität der Gummidichtungen schwer beeinträchtigen könnte. Falls dies geschehen sollte, könnte durchsickernder Treibstoff die Triebwerke explodieren lassen. Die Thiokol-Ingenieure alarmierten die NASA und drängten einhellig darauf, den für den nächsten Morgen geplanten Start zu verschieben.
    Der Starttermin war bereits verschoben worden, wo doch die NASA versprochen hatte, man könne sich auf routinemäßige, vorhersagbare Zeitpläne für die Starts verlassen. Lawrence Mulloy, Manager des NASARaketenprojekts, stritt mit den Thiokol-Ingenieuren, weil es nicht genügend Beweise für die Behauptung gäbe, das kalte Wetter könne die Dichtungsringe beschädigen. An diesem Abend sprach Mulloy mit dem Thiokol-Manager Bob Lund, der später vor dem Präsidialausschuss aussagte, der eingerichtet worden war, um die Challenger-Katastrophe zu untersuchen. Lund gab zu Protokoll, Mulloy habe ihm an diesem Abend gesagt, er solle seinen «Managementhut» und nicht seinen «Ingenieurshut» aufsetzen. Nachdem er dies offenbar getan hatte, änderte er seine Einstellung zum Start und überstimmte seine eigenen Ingenieure. Mulloy nahm auch zu Joe Kilminister Kontakt auf, einem der Vizepräsidenten bei Thiokol, und bat ihn, grünes Licht für den Start zu geben. Kilminister schickte um 23.45 Uhr ein Fax mit der entsprechenden Empfehlung an die NASA. Allan McDonald, der Direktor des Projekts von Thiokol, lehnte die Unterzeichnung der offiziellen Startgenehmigung ab. Zwei Monate später kündigte McDonald bei Thiokol.
    Für jeden Start sind vier Vorstandsmitglieder der NASA verantwortlich, die ihr Einverständnis geben müssen. Später entdeckte der Präsidialausschuss, dass ihnen an dem Abend, als die Entscheidung für den Start getroffen wurde, nichts von den Meinungsverschiedenheiten zwischen Thiokol-Ingenieuren und den Raketenmanagern der NASA bekannt war. Robert Sieck, Shuttle-Manager am Kennedy Space Center; Gene Thomas, Startdirektor für die Challenger- Fähre am selben Institut; Arnold Aldrich, Manager der Weltraumtransportsysteme am Johnson Space Center in Houston und Shuttle-Direktor Moore sollten später alle aussagen, sie wären nicht über den Widerstand der Thiokol-Manager gegen den Start informiert worden.
    Wie konnte Mulloy die Fähre in den Weltraum schicken, wenn er wusste, dass sie explod ieren konnte? Alles läuft darauf hinaus, dass er unter Druck stand und Opfer eines Selbstbetrugs wurde. So gelangte er tatsächlich zu der Überzeugung, dass die Ingenieure ein unerhebliches Risiko übertrieben darstellten. Falls Mulloy wirklich das Opfer eines Selbstbetrugs war, kann man ihn dann für seine falsche Entscheidung verantwortlich machen? Angenommen, jemand anders hätte Mulloy belogen und ihm eingeflüstert, es gäbe kein Risiko. Dann würde man ihn bestimmt nicht für eine falsche Entscheidung zur Verantwortung ziehen. Liegen die Dinge anders, wenn er sich selbst betrügt - nein, falls Mulloy sich wirklich selbst betrog. Die Frage lautet also: War es Selbstbetrug oder ein scheinbar gut begründetes Fehlurteil?
    Ein Beispiel für Selbstbetrug macht dies vielleicht deutlich:| 8 Ein Krebspatient im Endstadium, der an eine Genesung glaubt, obwohl es viele Anzeichen für einen schnell wachsenden bösartigen Tumor gibt, klammert sich an einen falschen Glauben. Auch Mulloy hält daran fest, weil er darauf vertraut, dass die Fähre sicher gestartet werden kann. (Die Alternative, Mulloy habe mit Sicherheit gewusst, dass sie explodieren werde, kann wohl ausgeschlossen werden.) Der Krebspatient glaubt trotz der überwältigenden gegenteiligen Beweise an seine Heilung. Er weiß, er wird schwächer und der Schmerz wird stärker, aber er besteht darauf, es handele sich nur um vorübergehende Rückschläge. Auch Mulloy blieb seinem falschen Glauben trotz gegenteiliger Beweise treu. Er wusste vom Verdacht der Ingenieure, dass die Kälte die Dichtungen beschädigen würde. Sollte daher Treibstoff durchsickern, konnten die Triebwerke explodieren. Trotzdem tat er ihre Behauptung als Übertreibung ab.
    Beide Beschreibungen klären noch nicht, ob der Krebspatient oder Mulloy vorsätzliche Lügner sind oder Opfer eines Selbstbetrugs. Die entscheidende Voraussetzung für einen Selbstbetrug liegt in der Tatsache, dass das Opfer sich seines Motivs für die Aufrechterhaltung des falschen Glaubens nicht bewusst ist.| b Der Krebspatient ist sich nicht bewusst, dass das Motiv für seine Selbsttäuschung die Unfähigkeit ist, sich mit

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