Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich weiss, dass du luegst

Ich weiss, dass du luegst

Titel: Ich weiss, dass du luegst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Ekman
Vom Netzwerk:
hatten.
    Johnson glaubte, aus einer starken Position heraus über ein passables Ende des Krieges zu verhandeln, falls die Nordvietnamesen glaubten, er hätte die amerikanische Öffentlichkeit auf seiner Seite. Daher pickte sich Johnson aus dem Verlauf des Krieges nur das heraus, was er dem amerikanischen Volk offenbaren wollte. Seine militärischen Befehlshaber erkannten, dass Johnson ein möglichst positives Bild von amerikanischen Erfolgen und Rückschlägen für die Nordvietnamesen und den Vietcong haben wollte. Schon bald waren dies die einzigen Informationen, die er von seinen Feldkommandeuren in Vietnam erhielt. Aber die Farce kam im Januar 1968 heraus, als eine verheerende Offensive von Nordvietnamesen und Vietcong zum vietnamesischen Neujahrsfest Tet den Amerikanern und der Welt offenbarte, wie weit die USA davon entfernt waren, den Krieg zu gewinnen. Die Tet-Offensive fand während der nächsten Kampagne zur Präsidentschaftswahl statt. Senator Robert Kennedy, Johnsons Gegenkandidat der Demokratischen Partei, sagte, die Tet-Offensive habe «die Maske der offiziellen Illusion beschädigt, hinter der wir unsere wahren Verhältnisse verborgen haben, auch vor uns selbst». Ein paar Monate später kündigte Johnson seine Entscheidung an, sich nicht mehr zur Wiederwahl aufstellen zu lassen.
    In einer Demokratie ist es nicht einfach, eine andere Nation irrezuführen, ohne das eigene Volk zu täuschen. Solch ein Betrug wird zu einer höchst gefährlichen Vorgehensweise, wenn sie zu lange praktiziert wird. Johnsons Täuschung der Bevölkerung über den Verlauf des Krieges beschränkte sich nicht auf Tage, Wochen oder Monate. Johnson erschuf die Illusion eines unmittelbar bevorstehenden Sieges und hielt den Wählern dadurch Informationen vor, die sie gebraucht hätten, um sich ein fundiertes politisches Urteil zu bilden. Eine Demokratie kann nicht überleben, wenn eine politische Partei Kontrolle über die einzigen Informationen hat, die den Wählern über ein Thema zur Verfügung stehen, das entscheidend für ihre Stimmabgabe ist.
    Man kann sich Senator Kennedys Einschätzung anschließen, dass Johnson und zumindest einige seiner Berater schon beinahe an ihre eigenen Lügen glaubten. Das gehört zu den Kosten des Täuschungsmanövers. Nicht nur Regierungsbeamte tappen leicht in diese Falle. Je öfter man lügt, umso leichter fällt es einem. Bei jeder Wiederholung der Lüge wird weniger darüber nachgedacht, ob es richtig ist, sich weiter in den Betrug zu verstricken. Nach vielen Wiederholungen hat sich der Lügner vielleicht so gut mit der Lüge arrangiert und bemerkt gar nicht mehr, dass er lügt. Wenn er jedoch damit konfrontiert wird, erinnert er sich an seine falschen Aussagen. Obwohl Johnson an seine Behauptungen über den Fortgang des Krieges glauben wollte und manchmal vielleicht wirklich von ihrem Wahrheitsgehalt überzeugt gewesen sein mag, ist zu bezweifeln, dass es ihm jemals gelang, sich selbst in vollem Umfang zu betrügen.

    Das Unglück der Raumfähre Challenger und Selbstbetrug

    Einen Selbstbetrug zuzugeben ist eine völlig andere Angelegenheit. Dabei erkennt die Person nicht, dass sie sich selbst belügt, und kennt auch ihre eigenen Motive für den Selbstbetrug nicht. Selbstbetrug kommt wesentlich seltener vor, als er etwa von einer schuldigen Person angeführt wird, um nach der Straftat ihre falschen Handlungen zu entschuldigen. Was auch immer zur Katastrophe der Raumfähre Challenger führte, wirft die Frage auf, ob diejenigen, die die Entscheidung zum Start der Fähre trotz ernsthafter Warnungen vor drohenden Gefahren trafen, vielleicht Opfer eines Selbstbetrugs waren. Wie sonst ließe sich die Entscheidung derjenigen erklären, die über das Risiko eines Starts Bescheid wussten?
    Millionen Menschen sahen den Start der Raumfähre am 28. Januar 1986 am Fernsehgerät. Über das Ereignis war im Vorfeld ausführlich berichtet worden, weil eine Lehrerin namens Christa McAucliffe zur Besatzung gehörte. Deshalb verfolgten viele Schulkinder den Start, auch die Klasse von Ms. McAucliffe. Sie hätte eine Unterrichtsstunde aus dem Weltraum geben sollen. Aber nur dreiundsiebzig Sekunden nach dem Start explodierte die Fähre, wobei alle sieben Insassen ums Leben kamen.
    Am Abend vor dem Start empfahlen die Ingenieure der Firma Morton Thiokol, die für die Starttriebwerke verantwortlich war, offiziell, den Start zu verschieben. Der Wetterbericht für die kommende Nacht sagte Kälte vorher, was die

Weitere Kostenlose Bücher