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Ich weiss, dass du luegst

Ich weiss, dass du luegst

Titel: Ich weiss, dass du luegst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Ekman
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Verdächtigen für einen anderen Zweck benötigt: Der Lügenermittler muss das emotionale Wesen des Verdächtigen kennen, um die Anzeichen bestimmter Gefühle als Täuschungshinweise ignorieren zu können. Nicht jeder hat Angst, fühlt sich schuldig oder ärgert sich, wenn er weiß, dass er eines Vergehens oder einer Lüge bezichtigt wird, was zum Teil von der Persönlichkeit des Verdächtigen abhängt.
    Eine äußerst selbstgerechte Person ist vielleicht wütend, wenn sie verdächtigt wird zu lügen, hat aber kaum Angst, dass man ihr nicht glaubt, und fühlt auch keine Schuld. Ein verängstigtes Individuum mit wenig Selbstvertrauen, das ständig erwartet zu scheitern, könnte befürchten, dass man ihm keinen Glauben schenkt, wird aber wahrscheinlich weder Wut noch Schuld empfinden. Erwähnt wurden bereits Personen, die so schuldbeladen sind, dass sie sich auch schuldig fühlen, wenn sie einer Tat bezichtigt werden, die sie nicht begangen haben. Solche schuldbewussten Menschen müssen jedoch nicht unbedingt besonders furchtsam, verärgert, überrascht, verzweifelt oder aufgeregt sein. Der Lügenermittler muss die Anzeichen einer Emotion als Täuschungshinweis ausschließen, wenn der Verdächtige für ein Gefühl, zum Beispiel Schuld, anfällig ist. Welche Emotionen nicht in Betracht gezogen werden sollten, hängt von dem Verdächtigen ab - nicht in jeder ehrlichen Person, die weiß, dass sie unter Verdacht steht, lässt sich jede beliebige Empfindung ohne weiteres hervorrufen.
    Welche Emotion, wenn überhaupt, unschuldige Personen fühlen mögen, wenn sie wissen, dass die eines Vergehens verdächtigt werden, hängt auch von ihrer Beziehung zum Lügenermittler ab, die sich aus ihrer gemeinsam erlebten Vergangenheit ergibt. Der Vater des Winslow Boy wusste, dass Ronnie ihn für gerecht hielt. Nie hatte er Ronnie irrtümlicherweise angeklagt oder ihn ungerechtfertigt bestraft. Aufgrund ihrer gemeinsamen Vergangenheit musste der Vater Anzeichen von Furcht, die Ronnie als Lügner und ehrlichen Menschen gleichermaßen hätten ausweisen können, nicht aus seiner Betrachtung ausschließen. Der Junge brauchte nicht zu befürchten, dass man ihm nicht glaubte, sondern musste einzig und allein Angst davor haben, beim Lügen erwischt zu werden. Wer andere häufig fälschlicherweise beschuldigt und dem Ehrlichen wiederholt nicht traut, baut eine Beziehung auf, in der Anzeichen von Furcht zweideutig sind und die Wahrscheinlichkeit, ob der andere lügt oder die Wahrheit sagt, gleich hoch ist. Eine Ehefrau, die mehrfach beschuldigt wurde, eine Affäre zu haben, und daraufhin trotz ihrer Unschuld beschimpft und geschlagen wurde, hat allen Grund, Angst zu haben, ob sie nun lügt oder die Wahrheit sagt. Ihr Ehemann hat, unter anderem, die Grundlage dafür verloren, Anzeichen von Furcht als Beweis für eine Lüge zu deuten. Der Lügenermittler muss die Anzeichen für eine Emotion als Täuschungshinweis ignorieren, falls die Beziehung des Verdächtigen zum Ermittler so geartet ist, dass sie im Verdächtigen sehr wahrscheinlich genau dieses Gefühl auslösen würde, selbst wenn er unschuldig wäre.
    Bei einer ersten Begegnung könnte jemand, ohne die Tatsache zu berücksichtigen, dass es keine gemeinsame Vergangenheit gibt, der Lüge bezichtigt werden. So könnte jemand bei der ersten Verabredung den anderen verdächtigen, die Tatsache zu verheimlichen, verheiratet zu sein. Ein Bewerber verdächtigt womöglich den Arbeitgeber der Lüge, wenn dieser sagt, er müsse noch mit anderen Bewerbern reden, bevor er eine Entscheidung treffen könne. Ein Krimineller zweifelt die Behauptung des Vernehmungsbeamten an, sein Kumpel habe gestanden und trete jetzt als Kronzeuge gegen ihn auf. Der Käufer fragt sich womöglich, ob der Makler den Preis in die Höhe zu treiben versucht, wenn er behauptet, der Besitzer würde ein solch niedriges Angebot nicht einmal eines Kommentars für würdig erachten. Lernt der Lügenermittler den Verdächtigen nicht besser kennen, bevor er sein Urteil fällt, ist er in zweifacher Hinsicht benachteiligt: Weder das Wissen um die Persönlichkeit des Verdächtigen noch das um die Geschichte ihrer Beziehung kann Hinweise darauf liefern, ob es nötig ist, bestimmte Emotionen aus der Betrachtung auszuschließen, weil es die Gefühle eines ehrlichen Menschen, der unter Verdacht steht, sind. Kann der Lügenermittler die Erwartungen, die der Verdächtige ihm entgegenbringt, ermessen, kann dies eine Grundlage sein, um

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