Ich weiss, dass du luegst
ist.
Ross Mullaney, ein Experte für das Training von Vernehmern bei der Polizei, rät zu seiner Strategie des Trojanischen Pferds, bei der der Polizeibeamte vorgibt, dem Verdächtigen zu glauben, um die Person dazu zu bewegen, mehr zu reden und sich in ihre eigenen Lügengeschichten zu verstricken. Obwohl dabei die Sorge vor Entlarvung abnehmen kann, macht der Verdächtige vielleicht einen entscheidenden Fehler, wie Mullaney berichtet: «Der Beamte sollte die Quelle [den Verdächtigen] dazu ermutigen, mit seiner Täuschung fortzufahren, indem er ihn mitzieht und dabei immer mehr Details aus dem angebotenen Erzählstoff herausholt. Ganz real betrügt der Beamte dabei auch die Quelle, indem er vorgibt, ihr zu glauben. Ist die Quelle ehrlich, entsteht ihr kein Schaden. Irrt sich der Beamte mit seinem Anfangsverdacht, dass der. Verdächtige ihn täusche, wird durch. [diese Befragungstechnik] kein Unrecht geschehen. Nur der Betrüger muss [sie] fürchten.»| 5 Diese Strategie erinnert an Schopenhauers Rat: «Wenn man argwöhnt, daß einer lüge, stelle man sich gläubig: da wird er dreist, lügt stärker und ist entlarvt.»| 6
Während der Glaube an das Vertrauen der Zielperson ein Faktor zu sein scheint, der die Furcht des Lügners vor Entlarvung reduziert, ist es schwer zu sagen, wie dieses Wissen andere Gefühle im Umkreis der Lüge beeinflussen kann. Manche Lügner haben vielleicht mehr Schuldgefühle, wenn sie eine vertrauensvolle statt eine misstrauische Person hinters Licht führen. Andere fühlen sich womöglich weniger schuldig und führen die Scheinbegründung an, solange das Opfer nichts wisse und nicht von Verdächtigungen gequält werde, werde auch kein Schaden angerichtet. Solche Lügner glauben manchmal, ihre Lügen seien vornehmlich durch Freundlichkeit motiviert, um ihren Opfern Kränkungen zu ersparen. Auch die Freude an der Überlistung kann in beide Richtungen gehen. Sie wird verstärkt oder vermindert, wenn der Lügner weiß, dass seine Zielperson ihm vertraut. Ein ganz und gar gutgläubiges Opfer zu überlisten kann besonders reizvoll sein, weil man die Verachtung genießen kann, die man dem Opfer gegenüber empfindet. Dennoch kann die Täuschung einer misstrauischen Zielperson wegen der damit verbundenen Herausforderung aufregend sein.
Folglich gibt es keine Möglichkeit vorherzusagen, ob ein Lügner mehr oder weniger Fehler machen wird, wenn seine Zielperson ihm ihre Verdächtigungen offenbart. Es gibt natürlich eine Chance, dass die Verdächtigungen unbegründet sind: Der Verdächtige könnte ehrlich sein. Wäre es leichter zu erkennen, ob der Verdächtige ehrlich ist, wenn er nicht wüsste, dass man ihm misstraut? Wenn er nicht weiß, dass man ihn der Lüge bezichtigt, braucht er keine Angst davor zu haben, dass man ihm nicht glaubt. Außerdem wäre er weder wütend noch traurig, der Lüge bezichtigt zu sein, sodass der Verdächtige, selbst wenn er sich schuldig fühlte, keinen besonderen Anlass hätte, so zu tun, als sei etwas Schlimmes passiert. All dies lässt sich auf der positiven Seite verbuchen, da die Anzeichen für jede dieser Emotionen folglich einfach als Täuschungshinweise interpretiert werden können, ohne sich fragen zu müssen, ob sie stattdessen nicht vielleicht die Reaktionen einer ehrlichen Person auf Verdächtigungen sind. Dieser Gewinn geht jedoch auf die bereits erwähnten Kosten, dass manche der Gefühle, die mit der Lüge zusammenhängen, die Täuschungshinweise -insbesondere die der Angst vor Entlarvung - hervorbringen, schwächer ausfallen, falls dieser Mensch, der nicht weiß, dass jemand ihn der Lüge bezichtigt, tatsächlich ein Lügner ist. Wenn der Verdächtige nichts von dem Misstrauen gegen ihn weiß, wird der Lügenermittler höchstwahrscheinlich weniger Fehler machen, die Wahrheit zu bezweifeln, weil die Anzeichen für eine Emotion mit größerer Wahrscheinlichkeit Täuschungshinweise sind. Allerdings könnten dabei mehr Fehler, einer Lüge zu glauben, vorkommen, weil Gefühle im Umkreis der Lüge mit geringerer Wahrscheinlichkeit stark genug sind, den Lügner zu verraten. Möglicherweise geschieht das Gegenteil, wenn der Verdacht bekannt ist. Das heißt, mehr Fehler wegen des Bezweifelns der Wahrheit als Fehler, einer Lüge zu glauben.
Zwei andere Probleme verkomplizieren die Frage, ob der Lügenermittler besser dran wäre, wenn der Verdächtige nicht wüsste, dass man ihm misstraut. Zunächst mag der Lügenermittler keine Wahl haben. Die Zielperson kann
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