Ich weiß, ich war's (German Edition)
hochromantisch, ich bin extrem eifersüchtig – und selbstverliebt. Ich bin alles, was mit Peinlichkeit zu tun hat. Ich bin eben kein Zyniker im modernen Sinne. Meinen Aktionen und dem, was da passiert ist, ist eine Selbstbeschädigung inbegriffen. Selbstzweifel auch. Und Selbstdemontage sowieso. Das hier ist ein hochpeinlicher Akt und dem setze ich mich gerne aus und so überlebe ich.
(Wien, 13.6.2000, Interview mit Robert Buchschwenter)
Nach der Container-Aktion kamen plötzlich alle angerannt: »Sensationell, ganz toll, Christoph ist super!« Überall nur Begeisterung und Umarmungen und Einladungen. Im »Spiegel« hieß es noch eine Woche vorher, Schlingensief sei fertig, kaputt, die Partei habe nicht geklappt, aus, vorbei. Dann kam der Container und ich war plötzlich Everybody’s Darling. Natürlich habe ich mich über den Erfolg gefreut, aber die Sache war auch missverständlich. Ich glaube bis heute, viele Leute fanden es einfach nur toll, dass Österreich mal so richtig in die Pfanne gehauen wurde. Dabei ging es überhaupt nicht darum, vorzuführen, wie beschissen rechtsradikal die Österreicher sind. Ich wollte eine Bilder-Störungsmaschine bauen. Ich dachte: Wenn mich ein Bild, eine Inszenierung wie diese ÖVP/FPÖ-Regierung stört, dann habe ich dafür zu sorgen, dass dieses Drecksbild, was sich da als sauber darstellt, gestört wird. Und das habe ich vielleicht auch geschafft.
Trotzdem habe ich mich hinterher total unwohl gefühlt. Denn im Kern fand ja wieder keine richtige Diskussion darüber statt, was da überhaupt vor sich geht. Ob zum Beispiel Fremdenfeindlichkeit und Rassismus in Zeiten des globalen Markts nicht sowieso bald verschwinden werden und wir uns da ganz unnötig aufregen. Oder ob es nicht vielleicht doch sein kann, dass der Arbeitslose, der Mann mit 900,- Euro netto im Monat mehr denn je eine Ersatzwährung braucht, mit der er bezahlen kann, das heißt, mit der er an jedem Stammtisch der Welt verstanden wird. Der muss auf den Tisch hauen können und brüllen dürfen: »Schwarz muss raus!« Wer kein Geld hat, wer vom Markt ausgeschlossen ist, der muss sich eine Ersatzwährung suchen, mit der er spekulieren kann, und Haider und Konsorten waren lediglich die Typen, die eine zwar altertümliche, aber effektive Ersatzwährung zur Verfügung gestellt haben – das war so ein Gedanke, über den man hätte nachdenken und sprechen und streiten können. Stattdessen wurde nur gejubelt, dass ich’s den Österreichern mal richtig gezeigt hätte. So kam es mir zumindest vor.
Und da habe ich gleich danach U3000 bei MTV gemacht. Wenn die Umarmung sehr groß war, wenn ich dachte, jetzt werde ich nur noch gelobt und geliebt, musste ich das sofort brachial zerstören. Wie aus einem Zwang heraus. Diese U-Bahn-Sendung war so ein Ding, das war blutig, das war ekelhaft, das war versaut. Da war ich für die anderen wieder der durchgeknallte Schlingensief, laut, schrill, chaotisch, unverschämt. Und dann zieht der auch noch vor der Kamera die Hose runter. Nach U3000 war’s auch erst einmal wieder vorbei mit irgendwelchen Einladungen aus der Hochkultur.
»Bitte liebt Österreich – Erste österreichische Koalitionswoche«, 2000. Containerdorf neben der Staatsoper Wien und am Eingang der Kärtner Straße, Wiens belebter Haupteinkaufsstraße
Mit Elfriede Jelinek vor den Containern, Filmbild aus »Ausländer raus! Schlingensiefs Container«, Buch und Regie: Paul Poet
Am schlimmsten traf das natürlich meine Eltern. Die saßen da die ganzen Jahre in Oberhausen rum und bekamen eigentlich nur mit, dass ihr Sohn merkwürdige Sachen macht. All die Söhne ihrer Bekannten, Freunde und Nachbarn waren etwas geworden, alle hatten einen ordentlichen Beruf, Apotheker, Arzt, Anwalt – nur ihr Christoph turnt da rum, macht Kettensägen-Filme, veranstaltet Blutexzesse auf der Bühne und gründet eine Partei im Zirkuszelt. »Was ist nur aus eurem Christoph geworden? Das ist doch Mist, was der da macht«, hieß es jahrelang in Oberhausen. Sogar Postkarten mit Beschimpfungen bekamen meine Eltern. Eine besonders harte hatten irgendwelche Neonazis an meinen Vater geschickt: »Warum hast du deinen Sohn nicht in die Ruhr abgespritzt?« Das war grauenhaft. Unbeschreiblich grauenhaft.
Immer wieder habe ich versucht, die Dinge geradezubiegen, zu erklären, was ich da eigentlich mache, damit sie mich ein bisschen besser verstehen können. Ich wollte ja, dass sie mich verstehen, dass sie stolz
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