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Ich weiß, ich war's (German Edition)

Ich weiß, ich war's (German Edition)

Titel: Ich weiß, ich war's (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Schlingensief , Aino Laberenz
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Zug vier Minuten Verspätung hat. Bei 30 Millimeter Niederschlag im Sauerland haben wir gleich vier Sondersendungen im Fernsehen, die Politiker rasen noch vier Wochen später mit Gummistiefeln herum, damit alle sehen, wie aktiv sie sind. Und wenn dann wirklich mal ein großer Knall kommt, wenn das Finanzsystem zusammenkracht, dann glauben wir, dass das irgendwie schon alles abgesichert werden kann. Und weiter geht’s. Mit dieser Schizophrenie wollen wir über die Runden kommen, das ist doch unmöglich. Wir haben doch völlig verlernt, was Gefahr bedeutet und was Selbsthilfe heißt. Stattdessen erwarten wir mit unserer Lebens-Kranken-Renten-Kinder-Hunde-Auto-Versicherung die Rundumversorgung. Wir schaffen es nicht zu sagen: Ich komme auch ohne Rundumversorgung aus, ich organisiere dies und das jetzt mal selbst. Dieses Selbstbewusstsein findet man auf dem afrikanischen Kontinent. Nicht unbedingt freiwillig, werden jetzt die Besserwisser sagen. Das stört mich aber nicht, weil sie es nur aufgrund ihrer eigenen schizophrenen Superfreiheit sagen. Eins muss klar sein: Das Operndorf ist keine Hilfsorganisation, kein Entwicklungshilfeprojekt! Und wir werden keine Leute erlösen, weder hier in Europa noch in Burkina Faso. Wer an Erlösung glaubt, soll in eine Partei eintreten.
    Und ansonsten möchte ich noch sagen: Wenn ich in den Himmel schaue, dann ist das reine Energie, die ich da sehe. Das Licht von vor Millionen von Jahren gestorbener Sterne. Diese Sensation wird in keiner Weise ernst genommen, sondern wir tun seit Ewigkeiten so, als wären wir die Eroberer dieses Universums. Als hätten wir die Weisheit gefressen. Wenn wir aber mal sagen würden, dass die Welt, in der wir leben, eigentlich nur einen Miniausschnitt von möglicher Freiheit darstellt, dann wäre es doch leichter zu verstehen, dass gerade hier auf diesem Miniplaneten noch gigantisch viel möglich ist und dass wir tatsächlich eingreifen können! Ja, wir können sogar eingreifen. Was für ein Privileg gegenüber Tonnen von abgestorbenen Gesteinsbrocken, die sonst so durchs All rasen. Man kann jetzt und hier etwas tun, Sie können sich tatsächlich Ihren Traum erfüllen – nicht den amerikanischen Traum, den meine ich nicht –, aber Sie können hier und jetzt alles hinterfragen, berühren und ausprobieren. Aber Sie müssen sich dafür auch einbringen. Sie müssen sich wirklich mal investieren und Sie werden extrem viel Kraft brauchen und es nicht sehr leicht haben. Sie werden oft dasitzen und denken: Hätte ich mich lieber für die andere Seite entschieden. Die sind schon viel weiter als ich. Die haben schon ein Auto, die haben schon eine Familie, die sind schon, was weiß ich, in Kanada gewesen oder auf dem Mond. Ich bin immer noch hier und traue der Sache nicht. Traue mir selbst nicht.
    Das ist wahrscheinlich der Hauptpunkt: Da das Leben nicht leicht ist, verliert man als Allererstes das Vertrauen in sich selbst. Wir suchen vielleicht deshalb immer nach etwas, an das wir glauben können, weil wir das Vertrauen in uns selbst verloren haben. Wenn man es wieder hat, dann kann man in diesem Leben wahrscheinlich wunderbar glücklich werden.

             
Dreharbeiten zum »Fliegenden Holländer«, Brasilien, 2007
             

Oberhausen
    Erörterung 28.11.1975
    Was erwarte ich von meinem zukünftigen Beruf? (Regisseur)
    Im letzten Jahr wurden vom Land Nordrhein-Westfalen Umfragebögen an die Schüler verteilt. Jeder Schüler sollte in Punkt 5 erörtern, was er von seinem zukünftigen Beruf erwarte. Da sich in meiner Klasse ein kleiner Filmklub gebildet hat und ich bei jedem unserer Filme Regie führe und auch später gerne den Regisseurberuf ergreifen möchte, stellte ich mir die Frage: Was erwarte ich von meinem zukünftigen (Regisseur)-Beruf?
    Der Regisseurberuf ist leider heute schon mehr oder weniger zu einem Konkurrenzkampf geworden. Heute gibt es sehr viele und sehr gute Regisseure. Wenn man heute im Regisseurgeschäft aufsteigen will, muss man schon Qualität beweisen. Zu Beginn wird man sicherlich nur kleine, unwichtige Filme drehen. Wenn man aber darin sehr geschickt ist und sich wirklich sehr viel Mühe gibt und in einem solchen kleinen Film sehr viel Qualität beweist, werden mit der Zeit andere Leute darauf aufmerksam und wollen dann mit mir ins Geschäft kommen. Langsam, aber sicher wird sich dann die Filmpalette steigern und natürlich auch das Honorar. Als Regisseur verdient man zwar nicht gerade regelmäßig, wenn man aber dann

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