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Ich weiß, ich war's (German Edition)

Ich weiß, ich war's (German Edition)

Titel: Ich weiß, ich war's (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Schlingensief , Aino Laberenz
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es passt eben doch. Ich sollte doch versuchen, es zu Lebzeiten zu realisieren, statt nachher mit Engelsscharen und anderem Kram dabei. Und eine Schule wird der Kern des Operndorfs sein: eine Schule, wo die Knirpse lesen, schreiben, rechnen lernen, wo ihnen aber noch ein bisschen mehr zur Verfügung stehen soll. Es soll eine Musikklasse geben, die erst einmal die Aufgabe hat, die vielen Musikinstrumente zu sammeln, die es da unten gibt. Es geht nicht darum, den Kindern Klavier oder Geige beizubringen, sondern es wird archiviert, was es da unten gibt. Dann tut man sich zusammen mit anderen und erprobt mal, was man mit den Instrumenten alles machen kann. Vielleicht wird der Fußballplatz ja auch Teil der Musikschule, wenn die Trillerpfeifen dort in der Musikklasse gebaut werden. Bands werden gegründet, es wird musiziert, sicher auch getanzt und dann wird das Ganze aufgenommen. Kleine Tonstudios wird es geben, da kann man sich dann mit Freunden reinsetzen und sich die Musik anhören. Man kann praktisch an sich selbst und auch am anderen studieren.
    Und eine Filmklasse, die natürlich mein Steckenpferd ist, soll es auch geben. Die Kinder bekommen kleine Flipkameras in die Hand gedrückt, die nehmen sie mit und dann sollen sie einfach filmen: die Mama, den Papa bei ihren Arbeiten, die Freunde, was auch immer. Wenn sie zurückkommen, schneiden sie ihre Filme am Computer selbst. Da gibt es keinen Redakteur, da kommt auch kein Scorsese und unterrichtet, sondern die Filme entstehen aus den Kindern selbst. Sie sollen den Freiraum haben, an sich selbst zu lernen. Das Ganze geht auf einen Server, damit die Kinder sich das mit ihren Freunden ansehen können. Und dann gibt’s noch ein Kino, eine kleine Cinecittá. Und dadurch, dass die Filme verfügbar sind, können sie an sich selbst weitermachen und weiterbauen. Es geht ums Archivieren, wir haben unsere Bibliotheken, Videotheken, Mediatheken – das haben die da bis jetzt nicht. Es ist wie eine Stunde null, nicht in dem Sinne, dass da nichts ist, sondern, dass ab jetzt archiviert wird.
    Und wenn dieses Archiv dann sichtbar wird, beklauen wir Afrika, um von dort zu lernen. Klauen und Lernen – die beiden Vorgänge muss man zusammenbauen, glaube ich. Indem man sich das erste Operndorf der Welt, den Prototyp vielleicht, mal vor Ort anschaut oder indem man sich das Archiv im Netz anschaut. Es wird die reine Freude sein, zu sehen, wie Kinder, die noch nicht mit Fernsehbildern und Computerspielen zugeballert sind, ihre eigene Film- und Musiksprache entwickeln werden. Da gibt es noch eine Realität, die mehr an Geistern zu bieten hat, als alle Computerspiele, die wir uns leisten – diese Computer-Geister, die wir so haben, sind nicht unbedingt die, die einen bereichern und zu Entscheidungen führen, die interessant sind. Ich bin fest davon überzeigt, dass das der Blick in die Entstehung von Bildern und Tönen sein wird, den wir überhaupt nicht mehr kennen, weil es bei uns eigentlich unmöglich geworden ist, aus sich selbst heraus etwas zu kreieren. Dabei will der Mensch sich doch ausdrücken. Nur leider wird das unscharfe Wesen der Seele bei uns immer wieder in ein Betonkleid gepackt, weil es ja sonst angeblich nicht weitergeht, weil sonst keine Ordnung reinkommt in das Ganze. Vielleicht schafft man es ja, das Ganze mal im Ansatz zu untersuchen, mal dabei zu sein, wie das ist, wenn die Seele sich entfalten darf, in ihrer Unschärfe akzeptiert wird und dabei Kräfte mobilisiert, vielleicht auch neue Währungen erfindet, die wir hier doch so dringend benötigen. Deswegen die Idee, dass wir Afrika beklauen müssen. Aber ganz offiziell. Das heißt: Wir geben zu, dass wir euch beklauen, weil wir von dem kulturellen und spirituellen Schatz, der da verborgen ist, lernen wollen. Der muss uns schon deshalb gefallen, weil wir davon profitieren werden, auch für die Zukunft, denn eigentlich kriegen wir doch kulturell gesehen nicht mehr allzu viel auf die Beine. Wo man hinschaut, nur Imitation. Ich habe ja auch ganz viel in dieser Richtung gemacht – inzwischen glaube ich nicht mehr daran, dass uns das weiterbringt. Ich glaube, dass wir wieder in den Ursprung der Entstehung von Bildern schauen müssen. Diese ganzen Hilfsprojekte, die immer die traurigen Kinder mit der Fliege am Auge zeigen, sind nicht das Thema vom Operndorf. Ich glaube, es ist mehr als überfällig, dass wir hingehen und den Reichtum Afrikas beschreiben! Auch wenn später Kinder aus Europa das entdecken und für ihre eigene

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