Ich weiß, ich war's (German Edition)
darstellt, und den brauchte ich ganz sicher. Da habe ich den Filmklub gegründet, die »Amateur-Film-Company 2000«. Da taucht zum ersten Mal diese Zahlenkolonne auf, die ich so häufig verwendet habe: Terror 2000, Chance 2000, Freakstars 3000, U 3000, immer wieder solche Zahlenkolonnen, um dem Ganzen den gigantischen Kosmos zu eröffnen, um zu behaupten: Das ist die Amateur-Film-Company des Jahres 2000 und überhaupt des gesamten Universums. Für unsere Filme hatten wir auch einen Vorspann gebastelt, der sah ein bisschen aus wie bei 20th Century Fox: ein Hochhaus, zwei Raketchen links und rechts – das war so ein Fontänen sprühendes Tischfeuerwerk –, und eine Zahl, die von zehn auf null runterzählte. Natürlich ruckelte und blitzte es, weil ja alles mit der Hand gemacht war, aber ich war wahnsinnig stolz drauf. Irgendwann konnte ich auch fast alle Gespräche so umlenken und umbauen, dass es ums Filmemachen ging und ich mitteilen konnte, dass ich Regisseur bin. Ich glaube, mit 12, 13 hat dieser Wahn angefangen. Und mit 16 kam dann der Spleen mit Seidenschal und Cowboystiefeln, wahrscheinlich weil ich irgendwo gesehen hatte, dass Regisseure so rumlaufen.
Unsere Filme hießen »Wer tötet, kommt ins Kittchen«, »Rex – der unbekannte Mörder von London«, »Das Totenhaus der Lady Florence«, »Das Geheimnis des Grafen von Kaunitz«, und ich habe mit meinem Team die halbe Stadt auf Trab gehalten. Was war das für ein sensationelles Ereignis für mich als 13-Jähriger, als wir bei »Rex« eine Puppe von einem Hochhaus in der Oberhausener Innenstadt werfen durften. Zu organisieren, dass die Leute da nicht in die Szene reinlaufen, und dann flog da einfach eine Puppe vom Dach – das war für mich das Größte.
Schrecklich fand ich nur, dass plötzlich Mädchen an unserem Gymnasium auftauchten. Wir waren ja Horden von Jungs, und dann kamen mit einem Mal zehn Mädchen auf die Schule. Und die waren so was von eifrig … Da habe ich gleich mal allen verboten, Mädchen mitzubringen. Mit denen wollte ich nichts zu tun haben: keine Mädchen im Filmklub! Die machen hier unsere Struktur kaputt, die bringen alles durcheinander, da kann sich niemand mehr konzentrieren, hab ich verkündet.
Mit 14 war ich dann aber doch verliebt. Sie hieß Claudia, war die Schwester eines Schulkameraden und das erste Mädchen, mit dem ich auf einer Party geknutscht habe. Wie das ging, haben mir Freunde erklärt, weil sie in der Sache alle schon Experten waren. Ich weiß noch: Immer wenn ich beim Tanzen die Kurve nahm, sah ich meine Freunde auf der Bank sitzen und mir irgendwie mit der Zunge signalisieren, dass ich endlich loslegen soll. Das war total furchtbar. Irgendwann hab ich mich dann aber doch getraut: Schwupp, die Zunge rein, zehn Sekunden oder so, dann schwupp, wieder raus, hinsetzen, Arm rumlegen – und dann saß man da, völlig verkrampft. Nach zwei Wochen habe ich Claudia verlassen, mit der Begründung, sie würde mich zu sehr ablenken, ich müsse mich wieder mehr auf meinen Film konzentrieren, da seien einige Szenen im Schnitt nicht in Ordnung. Von da an klappte ziemlich lange nichts mit Mädchen – was mir natürlich auch nicht recht war.
Ich habe langsam angefangen, öffentliche Stellen einzuschalten, die Stadtverwaltung und die Stadtwerke zu mobilisieren, damit alles etwas gigantischer aussehen konnte. Einmal haben wir illegal versucht, auf die Züge am Rangierbahnhof zu klettern, um dort oben eine Verfolgungsjagd zu drehen. Das klappte nicht, weil wir entdeckt wurden. Dann habe ich ganz offiziell einen Antrag bei der Bundesbahn gestellt und denen ein immenses Märchen erzählt, behauptet, ich sei so etwas wie 20th Century Fox, nur eben mit Sitz in Oberhausen. Wahrscheinlich fanden die Leute meine Aufschneiderei lustig, jedenfalls erlaubten sie uns tatsächlich, über die Züge zu laufen. Über einen stehenden Zug rennen, der aber aussehen musste, als sei er in Bewegung. Das hat mich immer fasziniert: im stehenden Zustand so zu tun, als sei man unheimlich schnell, auch während des Stillstands im Kopf, den man ja immer wieder hat. Eine ähnliche Szene kommt dann später auch in »Terror 2000« vor.
Irgendwann brauchte ich unbedingt einen Helikopter. Im »Geheimnis des Grafen von Kaunitz« nimmt ein Mann nach einem Banküberfall fünf Jungs und Mädchen als Geiseln. Aber der Täter wird nicht geschnappt, weil er mit dem Polizeihubschrauber abhauen kann. Ich hatte herausgekriegt, dass es in Mülheim an der Ruhr eine Firma
Weitere Kostenlose Bücher