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Ich weiß, ich war's (German Edition)

Ich weiß, ich war's (German Edition)

Titel: Ich weiß, ich war's (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Schlingensief , Aino Laberenz
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Entwicklung nutzen könnten – das wäre sensationell und würde eine ganz andere Diskussion in Gang bringen als bisher. Wenn Hunger herrscht, muss geholfen werden. Das ist klar. Im Kriegsfall muss vermittelt und eingegriffen werden, ganz klar. Aber was ist mit den anderen Seiten Afrikas? Warum kommen die immer nur so exotisch vor? Muss das sein? Ich meine, nein!
    Also um zu sagen, wie gebaut wird: Wenn der Vertrag mit der Regierung unterschrieben ist, soll erst mal die Schule entstehen für Kinder zwischen sechs und sechzehn. Die wird das absolute Zentrum des Geländes. Und eine Musterhaussiedlung aus moderner Lehmbauweise wird es geben. Da können die Lehrer wohnen und Menschen aus der Umgebung können Tipps für den Bau ihrer eigenen Häuschen bekommen. Einen Sportplatz, Ackerflächen und vor allem: eine kleine Krankenstation. Später wird in dem Dorf dann hoffentlich ein großer Festsaal stehen, den uns die Ruhrtriennale geschenkt hat, weil sie ihn nicht mehr gebrauchen konnte: Remdoogo, auf Mòoré »Spielhaus«. Eine Bühne, die nicht schalldicht abgeschlossen sein wird wie in Bayreuth, sondern bei der sich hinten der Horizont öffnet und man sehen und hören kann: Da draußen lebt jemand. Und die Bühne wird immer zur Verfügung stehen, sowohl den Bewohnern als auch den Gästen, die irgendwann hoffentlich kommen werden. Was in diesem Saal alles passieren wird, darauf bin ich selbst gespannt. Vielleicht wird es so eine Art Speakers’ Corner. Da kommt man hin, kann eine Nummer ziehen, geht auf die Bühne, bringt vielleicht seinen Kassettenrekorder oder ein paar Zettel mit – und auf der Bühne stehen ein Mikrofon und ein Glas Tee. Wie bei unserer Bahnhofsmission hier in Hamburg. Das funktioniert. Man braucht nur ein Mikrofon und ein bisschen Tee, vielleicht noch ein Brot – dann wird der Mensch gesprächig. Und dann erzählt er seine Geschichte, singt seine eigene Arie, das, was ihn ausmacht und was ihn letzten Endes überallhin begleitet. Der Mensch, der sich selber an der Backe hat und sich zeigt – das würde mir als Programmpunkt erst einmal genügen. Die Bühne ist nicht wichtig, weil da nachher irgendeine Sängerin eine Arie singt oder ein Sinfonieorchester spielt. Das kann kommen, in weiter Ferne, wer weiß. Aber nicht als Ablenkungsmaschine oder als afrikanischer Menschenzoo für frustrierte Europäer, sondern als ein Ort, an der sich Leben und Kunst durchdringen.
    Lieber Francis,
    ich will dir keine allzu lange Mail schreiben, nur ein paar kurze Sätze, die wir uns immer wieder mal durchgucken können, wenn Zweifel oder Probleme auftauchen. Ja? Also ich fange mal vorne an: Du sollst dem ganzen Operndorf deine Ästhetik geben, nach deinen Plänen soll gebaut werden. Ich bin derjenige, der diese Idee inhaltlich vertreten und verteidigen muss, aber auch durchsetzen will! Ich will, dass Burkina Faso als reiches Land angesehen wird, dass auch der Tourismus von unserem Projekt profitiert, dass die Menschen das erste Operndorf der Welt als ein Geschenk betrachten. Nicht als Eintagsfliege und nicht als Anmaßung, sondern als ein Geschenk für Leib und Seele und Kopf!
    Ich habe natürlich auch meine Ängste. Ich brauche die sichere Zusage der Regierung, mich zu schützen und zu begleiten. Ich habe Angst, dass sie das Projekt plötzlich uninteressant findet, schlechtmacht oder schließt. Ich habe Angst, dass sie die Idee der Schule nicht energisch genug vorantreibt, dass da nachher keine Schüler sind, keine Lehrer, sondern nur leere Räume. Ich habe Angst, dass ich da ein Projekt beginne, das für mich das größte und auch das risikoreichste Projekt meines Lebens ist, und ich ständig in einer Bringschuld stehe. Ich kann nicht mehr leisten, als wir alle zusammen leisten können! Alle zusammen!
    Ich will, dass die Bürger von Burkina Faso und ihre Regierung verstehen, dass ich Angst habe, dass man mich wie eine von den weißen Nasen ansieht, die da so oft durch euer Land gelaufen sind. Ich meine es wirklich im höchsten Maße ehrlich, wenn ich mich für Burkina Faso entschieden habe! Und ich möchte nicht, dass die Leute mir Angst machen, weil irgendwelche anderen Deppen wirklich Mist gebaut haben. Ich bringe kein Müllkraftwerk und reise dann ab, ohne eine Leitung für die erzeugte Energie nach draußen zu legen. Sag das allen Leuten! Sag ihnen, dass ich versuche, etwas nach Burkina zu bringen, das der Staat und seine Regierung auch dann noch nutzen können, wenn ich tot bin. Wenn wir tot sind! Wenn sechs

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