Ich weiß, ich war's (German Edition)
einfach nur großartig. Dass diese Häuptlinge mit den Familien und Kindern gekommen sind, war das Schönste überhaupt, denn nun ist klar: Diese Menschen werden später das Operndorf bewohnen, dort arbeiten, lernen und auch die Verantwortung für das Projekt übernehmen. Dass die Ältesten in diesem Projekt die Zukunft ihrer Kinder sehen – das war das Wichtigste.
Der erwachte Dämon will mich niederstrecken, aber er wird es nicht schaffen! Er soll auf die erloschenen Sterne ziehen, da leben viele von seiner Sorte, die es nicht geschafft haben. »Jeder Genuss lebt durch den Geist. Und jedes Abenteuer durch die Nähe des Todes, den es umkreist.« Diese Sätze stammen von Ernst Jünger, glaube ich. Für mich sind es die Sätze des Moments und sie helfen mir in vielen Minuten.
Es ist schon ein sehr komisches Leben jetzt. Ich erwische mich manchmal dabei, Milchmädchenrechnungen aufzustellen, mit dem Ergebnis, dass die Tablette bei drei Monaten Wirkung und einer zehnfachen Einsetzung dreißig Monate bringen würde. Genug Zeit, um auf ein neues Medikament zu hoffen. So ungefähr läuft es ab in meinem Kopf; es sei denn, ich bin in Burkina und sehe die Häuptlinge zum Operndorfplatz kommen, die laut verkünden: Gott und die Geister der Ahnen haben entschieden, dass das Operndorf gebaut werden soll, weil es gut ist für die Kinder. Das war ein so gewaltiger Moment. Ich habe inzwischen das Gefühl, dass das Operndorf das Projekt wird, auf das ich mein Leben lang hingearbeitet habe, ohne es zu wissen. Und wenn alles halbwegs auf die weitere Bahn kommt, dann hängt da keine goldene Tafel für mich und beerdigen lasse ich mich da auch nicht – aber dieser Ort gibt mir das Gefühl, dass ein möglicher Abschied von dieser Welt viel, viel einfacher sein wird, wenn ich weiß, dass da demnächst Hunderte von Kindern an sich selber lernen und filmen und Musik machen können. Ich hoffe natürlich, dass es anders laufen wird, aber Aino und ich sind doch gerade sehr, sehr verunsichert.
Und natürlich denke ich stärker an das Ende. Aber ich falle dabei in eine neue Sachlichkeit. Ich bin nicht mehr so traurig. Auch wenn ich einmal ganz fürchterlich geheult habe, weil ich dachte, ich habe keinen Kontakt mehr. Aino meinte, ich hätte so etwas gesagt beim Heulen. Aber im Großen und Ganzen habe ich das Gefühl, dass ich besser gehen könnte als noch vor ein paar Monaten. Die Hysterie ist etwas gewichen.
Der Künstler hat doch immer wieder das Problem, dass er seine Kunst anders sieht als die anderen. Das eine Bild kostet plötzlich sechs Millionen – und alle starren es begeistert an. Aber der Künstler sagt, dass er doch noch ganz andere Bilder gemacht hat, viel wichtigere, aber alle sagen: Nein, nein, dieses eine Bild, da warst du auf dem Punkt, das ist der Aufbruch für uns alle. Wie soll ein Künstler damit leben?
Oder ich am Theater. Immer wieder die Idee der Transformation. Immer wieder das Gefühl: Na, wartet es doch mal ab. Morgen Abend werde ich Korrekturen vornehmen, dann werdet ihr sehen, dass das alles nur vorübergehende Äußerungen sind. Was soll ich denn da wirklich von mir halten? Wie soll ich diese Unruhe, die meine Arbeit gebracht hat, aushalten? Wie soll ich denn damit leben, dass ich sowieso immer alles anders machen wollte? Und wenn ich Erfolg hatte, dann nur deshalb, weil ich mir treu geblieben bin? Aber geht das denn, sich selbst treu bleiben? Was soll das sein? Ich bin nicht der geworden, der ich sein wollte. Weil ich gar nicht wusste, wer ich mal sein könnte. Wer wollte ich sein, um wirklich glücklich sein zu können, und weshalb bin ich der nicht geworden? Wahrscheinlich wohl, weil ich gar nicht wusste, wie man glücklich wird. Das Glück ist ja so eine Nanosekunde und funktioniert manchmal glänzend, aber im Großen und Ganzen? Fassbinders »Satansbraten« war für mich in dieser Hinsicht immer ein ganz wichtiger Schlüsselfilm, weil ich denke, dass die Menschen all der Gesellschaften, die sich immer so anstrengen, Ordnungen zu schaffen, in Wirklichkeit nur auf der Suche nach einem kleinen Plätzchen sind, an dem sie in Ruhe leben können. Aber das klappt hinten und vorne nicht, weil die Unwägbarkeit des Lebens eben auch die Qualität des Lebens ist. Und wenn ich das nicht anerkenne, habe ich sowieso verschissen.
Natürlich habe ich auch viel gelacht, aber aus dem Funken heraus, dass das Leben eine ziemlich ernste Angelegenheit ist. Ich finde, Ironie ist nicht unbedingt das Beste, was unsere
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