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Ich weiß, ich war's (German Edition)

Ich weiß, ich war's (German Edition)

Titel: Ich weiß, ich war's (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Schlingensief , Aino Laberenz
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Truppe nicht möglich, mal schnell in die Fotoberge zu schauen und ein paar Bilder rauszusuchen. Für allen anderen Quatsch haben wir genug Zeit, aber wenn es um den geht, der zu den größten Komikern und Darstellern am deutschen Theater zählt, ist es zu anstrengend oder Millionen Festplatten sind verschollen.
    Ach, ich bin auch sauer auf mich selbst. Zu Weihnachten habe ich Achim nur kurz auf die Mobilbox gesprochen, weil ich seine Festnetznummer verschusselt hatte. Sonst hätte ich ihn vielleicht noch einmal gesprochen. Aber was hätte ich gesagt? Natürlich das Übliche: »Hallo, na, wie geht’s dir? Was macht Helga?« Helga ist Achims Frau. Die beiden haben 1998 während der Zeit von Chance 2000 geheiratet. Jedenfalls wollten sie das, aber die Standesbeamtin nahm Achims Vorsprechen nicht ernst. Er kam schon nach fünf Minuten wieder raus. Völlig bleich, völlig erstarrt. Und Helga in gebeugter Haltung hinter ihm her. Die beiden mussten dann erst mal eine Zigarette rauchen, bevor sie uns erzählen konnten, was passiert ist.
    Zum Glück war Dietrich Kuhlbrodt dabei. Der erstattete sofort Anzeige gegen die Standesbeamtin, weil sie Menschen wie Achim und Helga mit ihrem Wunsch nach einer Heirat nicht ernst genommen hatte. Wir sind dann alle noch zu einem Chinesen gegangen. Da haben wir gefeiert. Zumindest gegessen haben wir, zu feiern gab es ja erst mal nichts. Am Abend bekamen Achim und Helga von uns im Wahlkampfzirkus der Familie Sperlich auf dem Pratergelände unser Hochzeitsgeschenk überreicht: zwei Fahrräder. Zumindest das hatte geklappt. Und Achim war fest entschlossen, die Hochzeit nachzuholen, was den beiden auch tatsächlich ein halbes Jahr später gelungen ist. Seitdem sind sie verheiratet: Achim und Helga. Und Helga sitzt jetzt zu Hause in Wildau und sagt, der Achim sei ein ganz toller Mensch und ein großartiger Schauspieler gewesen. Und dass sie ihn sehr geliebt habe und er sie auch. Ihm sei am 26.12. plötzlich heiß geworden, dann schwindelig, dann habe er sich hingelegt, und kurz darauf sei er gestorben. Für die Aufbahrung habe sie ihn schön angezogen. Mit einer Fliege. Er habe gut ausgesehen, wie jemand, der schläft, aber er sei ja nun tot. Und sie sei sehr gefasst.
    Am 6. Januar um 14 Uhr ist die Beerdigung auf dem Waldfriedhof in Wildau. Da werden sicher ein paar Leute kommen, genau wie damals zur Beerdigung von Werner Brecht, der mit Achim im Wahlkampfzirkus die größte Akrobatennummer der Welt vorführte. Eine Trapeznummer. Da musste einer der beiden das vom Zirkusdach herunterhängende Seil so festhalten, dass der andere auf dem Seil sitzen konnte. Zum Tusch rief der Sitzende dann »Hepp« und hob die Beine vom Boden hoch. Somit musste der Stehende das Seil mit dem sitzenden Partner ganz alleine halten und der Sitzende musste die Balance halten, was für Werner meist sehr schwierig war. Vor, während und nach dieser Nummer kam es dann meist auch zu einigen Auseinandersetzungen zwischen Werner und Achim. Bernhard Schütz meinte mal, dass Achim und Werner wie Walter Matthau und Jack Lemmon seien. Und das stimmte. Nur mit dem Unterschied, dass Achim und Werner absolut authentisch waren.
    Achim war ja schon beim ersten Mal dabei. Für alle war »100 Jahre CDU« das erste Mal: für mich, für Alfred Edel, Gott hab ihn selig, für die Baronin Freifrau, Gott hab sie selig, für Frank, der jetzt wohl in Cottbus lebt, und eben für Achim, Gott hab ihn selig. So viele sind jetzt schon gestorben. Auch Rosie Bärhold von der Volksbühne, die sich beim ersten Theaterauftritt von Achim und Frank um die beiden kümmerte und sich mit Achim, später auch mit Helga, innig befreundete.
    Alle diese Leute hatten ihren eigenen Stil. Da war nichts zu frisieren oder groß zu verändern, sie waren eben so, wie sie waren. Das war ja auch das Besondere an Alfred Edel. Selbst jemand wie Udo Kier, der sicher der Überzeugung war, dass er sehr wandlungsfähig ist, war in Wirklichkeit doch fast immer die gleiche Person. Jedenfalls waren Achim und Frank bei »100 Jahre CDU« unschlagbar. Bei ihrem ersten Auftritt mussten sie das Lied »Ein Herz für Kinder« singen. Die Volksbühnenkundschaft grölte wild herum und amüsierte sich köstlich. Aber als die beiden von der Bühne kamen, waren sie sehr unzufrieden und meinten, die Leute hätten sie blöd ausgelacht. Ich habe ihnen dann gesagt, dass sie nun mal sehr komisch seien. Sie seien sogar besser als die vielen Komiker, die man in Deutschland immer so wahnsinnig

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