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Ich weiß nicht, was ich wollen soll: Warum wir uns so schwer entscheiden können und und wo das Glück zu finden ist (German Edition)

Ich weiß nicht, was ich wollen soll: Warum wir uns so schwer entscheiden können und und wo das Glück zu finden ist (German Edition)

Titel: Ich weiß nicht, was ich wollen soll: Warum wir uns so schwer entscheiden können und und wo das Glück zu finden ist (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bas Kast
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Kontrolle über ihr Schicksal. Jene verzweifelten Jugendlichen, die sich umbrachten, waren da vermutlich nicht anders. Wahrscheinlich war es allerdings so, dass ihre Hilflosigkeit für sie umso schwieriger zu ertragen war, je mehr sie sich von Freunden, Klassenkameraden, Gleichaltrigen umringt sahen, die genau umgekehrt empfanden, also eben nicht hilflos, sondern in völliger Kontrolle ihrer Lage.) [25]  

Die Grafik zeigt nationale Selbstmordraten von Jungen im Alter zwischen 15 und 24 Jahren. Wie die gestrichelte Trendlinie veranschaulicht, ist die Selbstmordrate eines Landes tendenziell umso höher, je mehr Jugendliche dieses Landes davon überzeugt sind (Prozentsatz), dass man frei über sein Leben entscheiden kann und Kontrolle über sein Schicksal hat. [26]  
    Unglücklich zu sein, nicht mit dem Leben zurechtzukommen oder zu »scheitern« ist, so könnte man diesen Befund deuten, umso schmerzhafter, je stärker uns die Gesellschaft den Eindruck vermittelt, dass sie uns den Weg zu einem erfolgreichen, glücklichen Leben nicht versperrt, sondern ausdrücklich ermöglicht. Überspitzt gesagt: Wer in einer Diktatur scheitert, ist vielleicht eine tragische Figur, mitunter auch ein Held. Wer in einem freien Land verliert, einem Land, in dem einem – tatsächlich oder vermeintlich – alle Türen offenstehen, der hat nicht einfach nur verloren, er hat, so die selten ausgesprochene und dennoch unmissverständliche Botschaft an die Adresse des Verlierers, versagt.
    Warum wir uns so schwer festlegen können
Sieh, darum ist es so schwer, sich selbst zu wählen, weil
in dieser Wahl die absolute Isolation mit der tiefsten
Kontinuität identisch ist, weil durch sie jede Möglichkeit, etwas anderes zu werden, vielmehr sich in etwas anderes umzudichten, unbedingt ausgeschlossen wird.
Søren Kierkegaard, Entweder – Oder
    Doch selbst wenn in dieser spekulativen Deutung der australischen Studie ein Funke Wahrheit stecken sollte, bleibt der Suizid natürlich eine extreme Ausnahme. Weitaus weniger extrem, dafür umso verbreiteter ist dagegen eine andere Reaktion auf steigende Freiheit und steigende Optionen, eine, die sich bereits beim Marmeladenversuch offenbarte: die Unfähigkeit, sich überhaupt noch entscheiden – sprich: festlegen – zu können.
    Gesetzt den Fall, Sie gehen, wie meine Freundin vor ein paar Monaten, in den nächsten Apple-Store und kaufen sich, ohne lange nachzudenken, das neue iPhone. Erst zu Hause kommen Sie zur Vernunft und sehen ein, dass Sie in Ihrem Kaufrausch einen großen Fehler gemacht haben: Sie haben das alte Modell gekauft, dessen Display über nur 480 x 320 Pixel verfügt, während doch gerade das neue Modell auf den Markt gekommen ist, mit 960 x 640 Pixeln sowie zahlreichen weiteren unverzichtbaren Goodies, etwa der In-Plane-Switching-Technik, die auch bei einem Extrem-Blickwinkel von 178 Grad (Gerät ist fast umgedreht) noch für ein gestochen scharfes Bild sorgt. Was tun? Kein Problem! Sie gehen einfach zurück in den Laden und tauschen das steinzeitliche Ding um. Jetzt haben Sie die Vorzüge (den »Gewinn«), die Ihnen durch Ihre Entscheidung zuvor entgangen waren.
    Die Möglichkeit eines Umtauschs senkt unsere (gefühlten) Alternativkosten, da wir, sobald sich uns eine bessere Option bietet, jederzeit unsere Entscheidung revidieren und den entgangenen Gewinn einstreichen können.
    Aber das Leben ist bekanntlich kein Apple-Store. Viele unserer Entscheidungen lassen sich irritierenderweise nicht ganz so leicht rückgängig machen wie ein iPhone-Kauf oder allmorgendlich wechseln wie eine Frühstücksmarmelade. Nehmen wir die Entscheidung für eine bestimmte Berufsausbildung, für ein Studium oder einen Lebensgefährten. Für jedes Festlegen in diesen Bereichen zahlen wir einen hohen Preis: Sobald wir einen Berufsweg einschlagen, schlagen wir damit unweigerlich viele andere interessante Berufe aus, ein Umsatteln ist meist aufwendig und also seinerseits mit hohen Kosten verbunden.
    An dieser Stelle nähern wir uns, wie ich glaube, allmählich wieder dem anfänglichen Frauenrätsel. Hat ein Mensch mit großem Interessenspektrum und vielen Talenten es leichter oder schwerer als jemand, der höchstens eine oder zwei Sachen gut kann und somit mehr oder weniger für diese eine Sache »bestimmt« – also letztlich weniger frei  – ist?
    Mir kommt es oft so vor, dass gerade Frauen über ein breiter angelegtes Interessen- und Talentespektrum verfügen als Männer. Zu meinen engsten

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