Ich weiß nicht, was ich wollen soll: Warum wir uns so schwer entscheiden können und und wo das Glück zu finden ist (German Edition)
Karriere nicht ausgesetzt sind, erwischt hat: So manche von ihnen hätte vielleicht liebend gern beides, wenn sie nur wüsste, wie sie es anstellen sollte. Ihr Verzicht, sei es auf die Karriere oder das Kind, ist kein Ausdruck echter Freiheit, sondern spiegelt eher die Sorge um ebenjene Doppelbelastung, die ihr in Aussicht gestellt wird und die sie zu vermeiden versucht.
2.
Wir Perfektionisten
Der Kein-Umtausch-Effekt
Ein typischer Hollywood-Plot: Mann trifft Frau, Mann findet Frau Zicke, Frau findet Mann unausstehlich. Zicke und Rohling steigen in klappriges, einmotoriges Flugzeug, Flugzeug kommt in Sturm, Blitz und Donner, plötzlich steigt Rauch auf aus Flugzeug. Motorstottern, Motorausfall, nächtliche Bruchlandung auf einsamer Tropeninsel. Schnitt.
Frühmorgendliches Erwachen am Strand, erstaunte Gesichter. Verärgerung, Schuldzuweisungen, lautstarke Diskussionen. Aber gut, ab sofort ist man aufeinander angewiesen, es gibt ja, von den Piraten abgesehen, die einem hin und wieder mit Macheten nach dem Leben trachten, niemand sonst hier auf dieser abgelegenen Insel im Südpazifik (ist das überhaupt der Südpazifik?).
Dann das Wunder: Mann und Frau kommen sich näher. Frau entdeckt: Mann nicht nur Widerling, kann Feuer machen, Fisch fangen, Fisch grillen. Mann stellt, zuerst verblüfft, später beeindruckt, fest: Frau nicht nur Zicke, sondern kann anpacken!
Es folgt: gemeinsamer Sieg über die Piraten, man wird – was weniger schön ist, als man gedacht hat – gerettet, trennt sich, merkt aber im letzten Moment noch, wie sehr man sich zu lieben gelernt hat, und kehrt (rennend) zueinander zurück. Musik, Umarmung, Kuss, Ende, Abspann.
Warum lieben wir diese Filmplots, auch wenn sie ein einziges Klischee sind und wir ihren Verlauf mit hundertprozentiger Zuverlässigkeit vorhersagen können? Es ist, als würden uns Geschichten wie diese etwas mitteilen, was wir insgeheim zwar längst wissen, im Alltag aber leicht vergessen: Du bist zu voreingenommen, du verurteilst deine Mitmenschen allzu schnell, du hältst sie für unausstehlich, obwohl du sie gar nicht richtig kennst, du hältst sie für Geschöpfe, mit denen du nie im Leben auskommen könntest, doch wenn du ihm oder ihr nur eine Chance geben würdest, würdest du vielleicht zu deiner eigenen Überraschung entdecken, dass auch er mit dem komischen Schnurrbart oder sie mit dem affektierten Lachen über einen liebenswerten Kern verfügt.
Auch auf die Gefahr hin, die Hollywood-Romantik an dieser Stelle gänzlich zu entzaubern: Wenn man so will, geben uns Geschichten dieses Strickmusters auch eine Lektion in Sachen ausufernder Alternativkosten und Schattenseiten des allgemeinen Sich-nicht-Festlegens. Auf der einsamen Insel sind schließlich mit einem Schlag die vielen Möglichkeiten, an die wir uns in unserer Wohlstandsgesellschaft gewöhnt haben, verschwunden: Jetzt gibt es nur noch ihn, nur noch sie. Man kann nicht davonlaufen, es gibt keine Umtauschmöglichkeit, man kann sich nicht denken: Mein Gott, so viele Menschen, so viele Möglichkeiten, muss ich mich da wirklich mit dieser Person abgeben?
Auf diese Weise stellt die abgelegene Tropeninsel einen diametralen Gegensatz zu unserer Multioptionswelt dar, in der wir bei der kleinsten Unstimmigkeit geneigt sind, das, was wir haben, in Frage zu stellen, um uns schleunigst auf die Suche nach einer attraktiveren Alternative – in diesem Fall: einem neuen Partner – zu machen. Und warum auch nicht? Ist ja nur eine Sache der Wahrscheinlichkeit, dass es diesen Menschen, der (noch etwas) besser zu uns passt, irgendwo da draußen gibt. Wir müssen nur ein bisschen suchen. Also, weiter geht’s!
Auf einer winzigen, unbevölkerten Insel können wir nicht weiterziehen. Plötzlich werden wir dazu gezwungen, eine andere Strategie zu verfolgen, um unsere Lage zu verbessern. Wir müssen auf eine Vorgehensweise zurückgreifen, die wir aus dem Auge zu verlieren scheinen, sobald sie nicht mehr gefordert wird: Statt abzuwandern und die äußere Welt auszutauschen, bleibt uns auf der alternativlosen Insel nichts anderes übrig, als uns an unsere innere Welt ranzumachen und unsere Einstellung auszutauschen.
Zu diesem Kein-Ausstieg- oder Kein-Umtausch-Effekt gibt es nicht nur Hollywood-Filme und kitschige Groschenromane, sondern auch handfeste Belege aus der experimentellen Forschung. Beispiel: In einer Untersuchung bot der Psychologe Daniel Gilbert von der Harvard-Universität im amerikanischen Cambridge seinen
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