Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich weiß nicht, was ich wollen soll: Warum wir uns so schwer entscheiden können und und wo das Glück zu finden ist (German Edition)

Ich weiß nicht, was ich wollen soll: Warum wir uns so schwer entscheiden können und und wo das Glück zu finden ist (German Edition)

Titel: Ich weiß nicht, was ich wollen soll: Warum wir uns so schwer entscheiden können und und wo das Glück zu finden ist (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bas Kast
Vom Netzwerk:
die über einen Hahn aus gebürstetem Edelstahl verfügt, aus dem jederzeit kochendes Wasser strömt. Übertrieben? Na, aber hallo – bis man einmal erlebt hat, wie leicht damit das Tomatenschälen wird … Auchhabenwollen!
    Die zwischenmenschlichen Wettrüstspiralen gleichen in ihrer Kombination aus Arglosigkeit und unerbittlichem Druck jener sich selbst hochschaukelnden Dynamik in einem Fußballstadion, wo plötzlich einer aus Begeisterung aufspringt, womit er den Nachbarn hinter ihm den Blick versperrt. Also stehen jetzt auch die Nachbarn von ihren Plätzen auf, was wiederum uns dazu nötigt, uns ebenfalls hinzustellen. Am Ende stehen alle, ohne wirklich besser dazustehen, nein, das Sitzen war erheblich bequemer, das Blöde ist nur: Sitzenbleiben ist unter lauter Stehenden keine sonderlich attraktive Option mehr. Unsere alte Lage hat sich nur dadurch verschlechtert, dass sich die Situation der anderen verbessert hat. Wir müssen aufstehen, wenn wir, wie gehabt, das Fußballspiel sehen wollen, was ja nun nicht zu viel verlangt ist.
    »Gut für einen, blöd für alle«, so hat der US-Ökonom Robert Frank die Sache auf den Punkt gebracht: Ein Einzelner verschafft sich kurzfristig einen Vorteil, was alle anderen dazu veranlasst mitzuziehen, wodurch es am Ende keinem wirklich besser und unter Umständen allen schlechter geht, insofern nämlich jedes Wettrüsten Geld, Zeit und Energie kostet, die man nicht mehr für andere Dinge übrig hat, Dinge, die einem eventuell wichtiger wären. [117]   Mitunter nötigt uns der soziale Druck dazu, noch härter zu arbeiten, noch mehr Geld zu verdienen und Überstunden zu machen, obwohl wir eigentlich längst genug davon haben und es uns besserginge, würden wir unsere Zeit anders verwenden.
    Nur, es fällt uns schwer, uns der allgemeinen Rastlosigkeit zu entziehen, weil es die Rastlosen sind, die, solange sie ihren Tätigkeitsdrang an den Tag legen, zu den Adligen und Fürsten unserer Zeit gehören. Das allgemeine Tempo wird dabei ausnahmsweise nicht vom Langsamsten, sondern vom Schnellsten bestimmt: Es genügt, wenn einige wenige anfangen, etwas härter zu schuften, egal, ob hier oder irgendwo an der chinesischen Ostküste, schon erhöht sich der Druck für uns alle, selbst wenn wir einfach nur unseren alten Status quo beibehalten wollen, einen Status, an den wir uns gewöhnt und den wir liebgewonnen haben.

    Unruhestifter Nr.2: Die stete Ausweitung unserer Möglichkeiten. Auch jenseits der zwischenmenschlichen Wettrüstspirale trägt die Freiheit zur chronischen Rastlosigkeit bei, und zwar in Form der zahlreichen Tätigkeitsoptionen, die sich uns heutzutage an allen Ecken und Enden bieten. Fernöstlich inspirierte Entspannungsberater geben uns den gutgemeinten Rat, wir Dauerhektiker sollten uns doch mal darin üben, etwas mehr im Hier und Jetzt zu leben: Wir sollten lernen, die Gegenwart zu genießen, statt im Kopf immer schon die nächste Sache, die es zu tun gilt, vorwegzunehmen. Wie aber kann man guten Gewissens die Gegenwart genießen, wenn es so viele Dinge gibt, mit der man diese Gegenwart – außer der Tätigkeit, mit der man sie aktuell ausfüllt – noch alles ausfüllen könnte?

    Im Prinzip bleiben uns nur zwei Strategien, mit der heutigen Optionsvielfalt fertig zu werden, und beide Strategien haben etwas Unbefriedigendes: Entweder man tut unendlich viel, oder man verpasst unendlich viel. Da keiner unendlich viel tun kann, leiden wir alle unter dem Gefühl, stets etwas zu verpassen (was wir ja auch tun), und um dieses Gefühl zu minimieren, versuchen wir in die 24 Stunden, die uns täglich zur Verfügung stehen, so viele Tätigkeiten wie möglich zu pressen.
    Mit der Tätigkeitsdichte aber steigt der Stress. Es entsteht ein unaufhörlich vorwärtstreibender Druck, der es einem nicht gerade erleichtert, die Gegenwart in aller Ruhe auskosten zu können. Vielmehr durchlaufen wir jede Aktivität mit einer inneren Hast, die sich nur mit Mühe abschalten lässt, da immerzu die nächste Sache lockt, die wir, wären wir weniger hastig, versäumen würden.
    Der Soziologe Hartmut Rosa von der Universität Jena sieht in unserem Versuch, die vielen sich uns bietenden Lebensoptionen möglichst erschöpfend nutzen zu wollen, sogar so etwas wie eine säkulare Antwort auf den Tod: »Wer doppelt so schnell lebt, kann doppelt so viele Weltmöglichkeiten realisieren, zweimal so viele Ziele erreichen, Erfahrungen machen, Erlebnisse sammeln; er verdoppelt damit seinen

Weitere Kostenlose Bücher