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Ich weiß nicht, was ich wollen soll: Warum wir uns so schwer entscheiden können und und wo das Glück zu finden ist (German Edition)

Ich weiß nicht, was ich wollen soll: Warum wir uns so schwer entscheiden können und und wo das Glück zu finden ist (German Edition)

Titel: Ich weiß nicht, was ich wollen soll: Warum wir uns so schwer entscheiden können und und wo das Glück zu finden ist (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bas Kast
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knapper auf den Punkt gebracht als Benjamin Franklin mit seiner Zeit-ist-Geld-Gleichung: »Bedenke, dass die Zeit Geld ist«, stellte Franklin bereits vor mehr als 200 Jahren fest, »wer täglich zehn Schillinge durch seine Arbeit erwerben könnte und den halben Tag spazieren geht oder auf seinem Zimmer faulenzt, der darf, auch wenn er nur sechs Pence für sein Vergnügen ausgibt, nicht dies allein berechnen, er hat neben dem noch fünf Schillinge ausgegeben oder vielmehr weggeworfen.« [119]  
    Franklins Formel konsequent zu Ende gedacht führt zu einem Lebensgefühl, das jede Aktivität auf ihre Produktivität und Verwertbarkeit hin abklopft. Es verwandelt die Uhr in eine Stoppuhr. Zeit darf unter keinen Umständen mehr »vertan« werden. Warum nicht? Weil die Zeit kostbar ist, und das in einem sehr wörtlichen, instrumentellen Sinne: Zeit ist kostbar, weil sie sich in bare Münze umsetzen lässt. Es ist, als würde mit jedem Ticken des Sekundenzeigers ein Geldschein freigesetzt, den man entweder, durch Tätigkeit, einfangen kann oder der sich, bei Untätigkeit, für immer in Luft auflösen wird.
    Wer die Welt mit Franklins Augen sieht, für den wird jede ruhige Minute, jedes gesellige Beisammensein, das keinen Profit abwirft, zu einer Zeitvergeudung – oder bestenfalls zu einem notwendigen Übel, einem Mittel zum Zweck. Wie Nietzsche genervt anmerkte: Von nun an darf man sich nicht mehr einfach nur freuen und Spaß haben oder vor sich hin träumen und denken, nein, selbst die Freude, das Spaßhaben und das Denken stehen noch im Dienste der Produktivität, ähnlich wie man heute Kindern nicht mehr nur vorliest, weil es ihnen Spaß macht und sie in spannende fremde Welten entführt, sondern weil es gut für die Neuronen und Synapsen ihrer linken Gehirnhälfte ist, oder wie Gedanken und Einsichten in Zusammenhänge abgewertet werden, weil sie höchstens »interessant«, aber leider für den Alltag »nicht verwertbar« sind.
    Wir freuen uns mit der Stoppuhr in der Hand. Ab und zu mal ausspannen, hin und wieder einen Urlaub? Na klar, danach nämlich sind wir umso produktiver. Wir spannen aus und machen Urlaub, um Energie zu tanken, um unserer Kreativität auf die Sprünge zu helfen (aus der Pause ist konsequenterweise die Kreativpause geworden), um, kurz gesagt, bald wieder optimal arbeiten zu können. Um also möglichst bald wieder so zu sein und zu »funktionieren«, wie uns die Wirtschaftswelt am liebsten hat.
    Nicht, dass es verwerflich wäre, die Spielregeln der Wirtschaftswelt zur Kenntnis zu nehmen oder gelegentlich zu beherzigen. Ich habe nichts gegen Produktivität und Leistungsbereitschaft. Warum aber sollte das Maß der Wirtschaftswelt zum Maß aller Dinge werden und unser Gefühl bis in die letzten Winkel des Lebens, bis in die Freizeit hinein, bestimmen? Wie frei sind wir in dieser Zeit dann überhaupt noch? Als ob das Interesse der Wirtschaftswelt stets mit unserem Interesse vollkommen deckungsgleich wäre!
    Geld taugt womöglich auch deshalb bestens dazu, uns ewige Ruhelosigkeit einzuflößen, weil Geld zu den wenigen Dingen gehört, von denen man nie genug haben kann. Man könnte es als das Dagobert-Duck-Prinzip bezeichnen: Es gibt kein natürliches Limit, ab dem es irgendwie irrational oder lästig würde, noch mehr Geld zu haben (schon gar nicht innerhalb jener Größenordnungen, in denen wir Normalsterbliche verdienen). Nehmen wir an, nur mal als Vergleich, eine Jäger-Sammler-Gruppe jagt und sammelt eine gewisse Menge an Fleisch und Früchten. Im Idealfall gelangt die Gruppe dabei irgendwann an einen Punkt, ab dem es sinnlos wird, noch mehr Fleisch und Früchte, die niemand isst und die stattdessen nur verderben, zu jagen und sammeln.
    Dasselbe kann man für uns Geldjäger und -sammler nicht behaupten. Geld lässt sich problemlos aufbewahren, es ist mobil, flexibel, leicht, geradezu schwerelos. Klassischer Besitz, ein Haus, ein Grundstück, schwere Möbel, das unaufhörlich oxidierende Silberbesteck von Omi – all das kann auch zur Last werden. Nicht so Geld: Geld fordert bei der Lagerung nur wenig Platz und Pflege, in den meisten Fällen verdirbt es auch nicht, obwohl das, insbesondere, wenn man es Finanzexperten und Investmentbankern anvertraut, leider vorkommen kann. Im Großen und Ganzen aber ist eher das Gegenteil der Fall, und mit etwas Glück wirft Geld bei geschickter Lagerung nur noch mehr Geld ab.

2.
    Warum Anonymität rastlos macht
    Das Wunder von Roseto
    Neben der Freiheit, den

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