Ich werde dich so glücklich machen: Roman (German Edition)
las einige Kleidungsstücke der Kinder auf und sammelte Petters Durchschlagpapier ein, das wild durcheinander neben der Schreibmaschine auf dem kleinen Schreibtisch lag. Zwei Bogen konnte sie gleich wegwerfen, die waren restlos von Buchstaben durchlöchert. Sicher hatte er jeden Bogen mindestens zehnmal benutzt, es war unmöglich, auch nur ein Wort in Spiegelschrift zu lesen. Die schwarze Farbe blieb an ihren Fingern haften, sie knüllte die Blätter zusammen und warf sie in den Kamin, ehe sie sich die Finger am Spüllappen abputzte.
Auch vor den Büchern in ihren Regalen wischte sie ein wenig Staub, schob das Staubtuch in die Nischen in den ungleichmäßigen Bücherreihen; oben wurden sie fast nie staubig, er benutzte sie immer wieder, es waren nur Nachschlagewerke und Wörterbücher und Fachbücher. Gott sei Dank hatte er mit laut laufendem Radio auf dem Klo gelesen, als am Vorabend der Vertreter
geklingelt hatte, um sein Lexikon zu verkaufen. Sie hatten kein Lexikon, und Petter träumte davon, eins zu besitzen. Wenn er die Herrschaft hier zu Hause übernähme, würden sie sich sicher auch das Lexikon leisten können. Achtzehn Bände, hatte der Mann gesagt. Achtzehn dicke Bände zu allem, was sie ohnehin schon hatten! Wenn sie katholisch gewesen wäre, hätte sie sich jetzt bekreuzigt vor Dankbarkeit darüber, dass er keine Ahnung von dem Vertreter hatte. Er hatte ihren englischen Akzent gehört und angefangen, über den guten Winston zu plappern, aber sie hatte ihm sofort die Nase vor der Tür zugeschlagen. Ihre Mutter, die zum Glück viele Meilen entfernt wohnte, hätte eine neue religiöse Bewegung mit Churchill als Abgott starten können, und sie hatte es sich verbeten, die Schriften dieses Mannes im Hause zu haben. Und noch dazu dafür zu bezahlen, indem sie anderen Leuten die Haare schnitt und legte. Die Vorstellung war fast makaber.
Sie hielt inne, während sie das Staubtuch noch in der Luft hielt. Wildes Geschrei ertönte aus dem Erdgeschoss von Treppenhaus B. Der Beton, aus dem das Haus errichtet war, musste eingebaute Megaphone enthalten. Sie war ja so froh, dass sie nicht in B wohnten, sondern in A. Das Geschrei war ein Gemisch aus Frauenstimmen und Kinderstimmen, bestimmt hatte die ganze Bande verschlafen. Es war nicht zu fassen, dass die Stadt Trondheim eine Wohnung bei einer anständigen Wohnungsgenossenschaft kaufen und danach eine richtige Abschaumfamilie dort hineinsetzen konnte, die weder arbeitete noch die Hausordnung einhielt. Ihnen ging es nur darum, zu trinken und jeden Sonntag auf Pferde zu wetten. Nein, hier im Treppenhaus lebten Leute, die einen Anteil an einem Pferd besaßen und nicht darauf wetteten. In England wetteten auch anständige Leute auf Pferde, aber in Norwegen war das nicht so. Doch in England kamen jedenfalls
Ehefrauen und Hausmütter nicht am Sonntagnachmittag betrunken vom Trabrennen zurück mit weinenden Gören im Schlepptau. In England waren Pferderennen a man’s world.
Der Lärm näherte sich einem heftigen Höhepunkt, dann schlug er in Kinderweinen um, um kurz darauf abrupt zu verstummen. Sie hatte gehört, das letzte Haus, in dem die gewohnt hatten, sei abgebrannt und sie hätten mit leeren Händen dagestanden und die Stadt habe eingreifen müssen. Das Haus war sicher im Suff angesteckt worden. Fünf Kinder hatten die, die Götter mochten wissen, wo die alle schliefen, bestimmt standen in den beiden kleinen Schlafzimmern an jeder Wand Etagenbetten. Was die für ein Leben hatten, eigentlich müsste sie für ihres dankbarer sein.
Denn sie liebte ihn doch. Das war nicht das Problem. Das war nicht das Problem, das war es wirklich nicht. Natürlich liebte sie ihn. Oder etwa nicht? Er war die ganze Zeit in ihrer Nähe, sagte, er liebe sie , sie sei so wunderbar, sie rieche gut, auch wenn sie ganz genau wusste, dass sie nach Schlaf und Schweiß stank. Worüber er wohl noch log, wenn er über solche grundlegenden Dinge log? Aber sie fühlte sich ihm nicht mehr nah, fast nie, sie teilten doch gar nichts, hatten nicht ein einziges gemeinsames Erlebnis. Es ging immer nur darum, was im Laufe eines Tages erledigt werden musste.
Sie legte den Wischlappen auf die Anrichte, ohne ihn vorher auszuspülen, und glaubte schon seinen Kommentar zu hören: »Nicht so richtig angenehm, einen Wischlappen aufzuheben, um irgendwo sauber zu machen, und dann fällt alles von Kartoffelschalen bis zu Zigarettenstummeln heraus.«
Petter rauchte nicht, er war fast der einzige Nichtraucher, den
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