Ich werde dich so glücklich machen: Roman (German Edition)
hoffen, dass die für sie da sind. Sie ist doch ihr Enkelkind«, sagte sie.
»Und niemand weiß, wie die Mutter gestorben ist … Vielleicht hat er sie umgebracht.«
»Holger!«
»Du musst doch zugeben, dass es seltsam ist, dass der Vater der Kleinen nicht erzählt hat, wie es passiert ist?«
»Sie war doch so klein, als es passiert ist, sie hat Irene gesagt, dass sie es nicht mehr weiß.«
»Ich weiß. Das hast du gesagt. Aber dass sie ihren Vater nicht fragt?«
»Ich glaube, die verstehen sich nicht so gut.«
»Ha! Da hast du es gesagt. Verdammt, was für ein Mistkerl.«
»Aber Holger. Der hat sicher auch seine Sorgen. So allein zu leben.«
»Und wenn ich daran denke, dass er selbst Kinder unterrichtet, auch wenn das auf dem Gymnasium ist, wo sie nicht mehr so klein sind, dass sie Zuwendung brauchen. Verdammt.«
»Aber jetzt hat sie Ken ausgeliehen. Und darüber ist sie sicher froh. Soll ich zum Abendbrot Eier kochen?«
»Ich bin noch immer pappsatt«, sagte er.
»Ich auch. Aber wir müssen mit Irene zusammen essen, das findet sie so schön. Und ich habe heute Brot gebacken.«
Er hatte von einem Arbeitskollegen eine dreieckige Whiskyflasche der Marke Grant’s bekommen, die passte perfekt für einen Clipper. Während Sidsel den Abendbrottisch deckte, setzte er sich an den kleinen Arbeitstisch im Wohnzimmer und säuberte die Flasche von innen mit einem Leinenlappen, den er um ein Stück Stahldraht gewickelt hatte. Danach polierte er sorgfältig noch die kleinste Ecke, während er die ganze Zeit daran dachte, dass sie sich noch ein Kind wünschte. Er sah einen runden, strotzenden Bauch vor sich. Als sie Irene erwartet hatte, war sie so schön gewesen, als ob sie die ganze Welt hinter der Bauchhaut trüge.
Vielleicht sollte er dem neuen Schiff einen Männernamen geben, auch wenn das eher ungewöhnlich war. Einen Jungennamen, der ihm gefiel, das könnte Glück bringen. Wenn er auch seinen Kinderglauben verloren hatte, so hatte er doch nicht den Aberglauben eingebüßt, mit dem seine Großmutter aus Grimstad ihm als Kind die Ohren vollgestopft hatte. Eher war das Gegenteil der Fall. Und auf See gab es ja allerlei, das Glück oder Unglück brachte. Unglück kam durch Regenschirme, Pfeifen und Gerede über Pferde, niemals durfte man über Pferde reden
oder dieses Wort auch nur erwähnen. Und Glück lag in dem Namen, den das Schiff trug.
Er wartete immer mehrere Wochen, wenn er ein Buddelschiff vollendet hatte, ehe er an ein neues dachte. Und dann musste er sich geeignete Flaschen besorgen, die auf der Unterlage gut balancierten. Aber wenn das Glas in der Flasche außergewöhnlich klar war, war die Form nicht wichtig, dann baute er einen Sockel, der perfekt passte und stabilisierte. Er hinterfragte nie das Glück, das er bei der Arbeit an den Schiffen empfand, an den Flaschen, die sie behausen sollten. Dieses Glück war so selbstverständlich, vermutlich, weil er das alles von seinem Vater gelernt hatte, der noch immer eine ganze Bude voller Buddelschiffe hatte, die er jetzt langsam nach und nach verkaufte.
Es machte jedes Mal von Neuem Spaß, die Schiffe Leuten zu zeigen, die keine Ahnung hatten, wie sie gebaut wurden. »Wie um alles in der Welt hast du dieses große Schiff durch den schmalen Flaschenhals bugsiert?«, war die Standardfrage. Einige glaubten, er benutze lange Pinzetten und baue das Schiff in der Flasche. Er ließ sie in diesem Glauben. Es war auch so Arbeit genug, jedes Segel zu planen, die Leinen an alle Segel und Masten zu setzen und dann alles zu voller Höhe und Pracht hochzuziehen, wenn es hineingeschoben worden war. Nur der Rumpf musste durch die Öffnung passen mit wenigen Millimetern Spielraum. Wenn er dann in der richtigen Reihenfolge an den Fäden zog und Segel und Masten sich erhoben, wirkte alles viel größer als der schmale Rumpf und vermittelte die optische Illusion einer verblüffenden Unmöglichkeit.
Er nahm so viel Kitt, dass seine Handfläche bedeckt war, und gab weiße Ölfarbe aus einer Tube dazu. Er bestellte die Farben mit der Post, die Firma in Oslo hielt ihn sicher für einen Kunstmaler. Er rieb die Farbe gut in den Kitt ein. Als der richtig weiß war, ließ er den Kittklumpen in ein Marmeladenglas mit kaltem
Wasser fallen, um ihn später für das Kielwasser des Schiffes zu verwenden. Danach nahm er wieder Kitt aus der Dose und gab blaue Farbe dazu zusammen mit einer winzigen Portion Grün. Während er knetete, dachte er die ganze Zeit an einen Sohn. Es könnte
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