Ich werde dich so glücklich machen: Roman (German Edition)
auch ein Mädchen werden. Irene hatte keinerlei Interesse an den Buddelschiffen, auch wenn sie gern in dem Moment zusah, in dem er an den Fäden zog und das Schiff aufrichtete.
Sie würden ein Kind machen.
Er würde keine Kondome mehr benutzen müssen.
Sie musste sich das lange überlegt haben, ohne es ihm gegenüber auch nur zu erwähnen. Sie hatte gewartet, bis sie sich hundert Prozent sicher war, das war typisch für sie. Sie war stark. Das kam sicher von ihrer Bauernfamilie.
Der Kitt hatte jetzt die richtige gleichmäßige Farbe. Er rollte den Klumpen in Kreide, damit er weniger klebte, dann formte er daraus eine Wurst und zerschnitt sie mit einem Messer in viele kleine Stücke. Danach bedeckte er den Boden der Flasche mit Hilfe des Stahldrahtes mit den Wurststückchen. Er achtete darauf, dass der Kitt nicht die Flaschenseiten berührte, den Teil des Glases, der über der Wasseroberfläche liegen würde. Das konnte Ölflecken geben, die nur schwer zu entfernen waren. Er strich das Meer mit einem winzigen Mokkalöffel glatt, den er an ein Stahlstäbchen gesteckt hatte. Kielwasser und weiße Wellenkämme würde er erst hineinschieben, kurz bevor das Schiff angebracht würde, damit es sicher und fest liegen könnte.
Als das Meer fertig war, verschloss er die Flasche mit zusammengerolltem Musselin. Auf diese Weise kam Luft hinein, so trocknete der Kitt, während zugleich kein Staub hineinkönnte.
Sie musterte seinen Rücken, den konzentriert gesenkten Nacken, während er die Flasche verschloss, ehe er sich aufrichtete und Luft ausstieß.
»Hör mal«, sagte sie und ging zum Radiokabinett und drehte lauter. »Die spielen dein Lieblingslied.«
»Deine Heimat ist das Meer, deine Freunde sind die Sterne, über Rio und Shanghai, über Bali und Hawaii, deine Liebe ist dein Schiff, deine Sehnsucht ist die Ferne … «
Er sprang vom Stuhl auf, zog sie an sich und walzte mit ihr durch das Zimmer.
»Holger! Du hast doch blauen Kitt an den Händen!«
»Seemann, lass das Träumen über meine feine Kleine … einen Spritzer von den sieben Meeren kannst du an deiner Kittelschürze ja wohl vertragen! Du kannst sie doch blau färben. Den ganzen Kittel. Wie deine Augen.«
Sie blieben stehen und hatten einander noch immer umarmt, als das Lied endete.
»Ich liebe dich«, sagte er.
Sie schaute weg, er sagte das nur, wenn sie im Bett gut zueinander waren. Es war fast unmöglich, es hier mitten im Wohnzimmer zu hören, während sie hier aufrecht standen. Sie spürte plötzlich ihr Herz, wie es stolz und stark in ihrer Brust lag. Das alles hatte sie, das alles erschuf auch sie. Sie lehnte die Stirn an seine Halsgrube und schloss die Augen.
»Und du…?«, fragte er.
»Hm?«
»Jetzt hab ich doch wieder Hunger. Es zehrt ganz schön, in einer kleinen Abendstunde ein ganzes Meer zu bauen.«
Blue Master
Zum Glück kam er immer früher als die anderen Väter nach Hause, da er in der Schule arbeitete. Lehrer hatten zusammen mit den Schülern Feierabend, mindestens zwei Stunden, ehe andere Männer mit der Arbeit fertig waren.
Sie saß mit ihren Schulbüchern auf dem Schoß und der Lokalzeitung neben ihrer Wohnungstür auf der Treppe. Sie war nicht nass. Sie hatte in der Werkstatt des Hausmeisters in der Schule Pipi machen dürfen. Das erlaubte er, wenn sie danach ein bisschen auf seinem Schoß saß und er das Gesicht in ihre Haare schieben durfte. Er flüsterte, sie sei »seine kleine Liebste«. Er zitterte auf seltsame Weise, wenn sie dort saß, sicher hatte er eine Art Krankheit, aber das machte nichts, sie dachte einfach an andere Dinge. Es dauerte nicht so lange, und sie machte sich nicht nass. Denn es gab nirgendwo Büsche oder einen anderen Ort, wo sie sich zu verstecken wagte. Die Jungen würden das auf jeden Fall entdecken, sie liefen auf dem Heimweg von der Schule hinter ihr her, und sie ging nicht mehr auf das Schulklo, seit Karin aus der Sechsten sie aus einer Klozelle hatte kommen sehen und laut gebrüllt hatte, jetzt dürfe aber keine mehr dieses Klo benutzen, denn jetzt sei die Klobrille sicher mit alter Weiberpisse verdreckt.
Sie hatte ihre Matheaufgaben gerade fertig, als der Vater die Treppe hochgerannt kam. Sie hatte seine Stimme schon gehört,
sowie er die Haustür geöffnet hatte. Aber sie hatte kein Wort verstanden. Alles hallte im Treppenhaus dermaßen wider, dass man nur die leisen Geräusche richtig hörte. Hier oben im dritten Stock konnte man aus dem Erdgeschoss nichts verstehen, wenn laut gerufen
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