Ich werde dich so glücklich machen: Roman (German Edition)
wurde.
»Da sitzt du ja«, sagte er.
Er trug zwei Nylonnetze voll Lebensmitteln, dazu eine Aktentasche und ein großes Paket eingeschlagen in feuchtem Zeitungspapier. »Na, los. Rein.«
»Bist du böse?«
»Dieser verdammte fette Drache aus dem Parterre stand da und zeigte auf ihren Wischlappen vor meinen Füßen. Ist doch, verdammt noch mal, nicht meine Aufgabe, ihre Treppe sauber zu halten. Ist den ganzen Tag ohne Kind zu Hause, da hat sie doch Zeit genug zum Putzen.«
Es war nicht gut, dass er jetzt schon böse war, aber so schlimm war es auch wieder nicht. Da mussten ihr Geir und Jan-Ragnar aus dem zweiten Stock schon eher leidtun. Die waren auch viel kleiner als sie. Der Vater sagte immer: »Echte Mannsbilder schlagen keine Mädchen, weder große noch kleine.« Es war nett, dass er das sagte, fand sie. Er bezeichnete Herrn Berg als Idioten, mochte ihm nicht einmal zunicken, wenn sie auf der Treppe aneinander vorbeigingen, obwohl sie einander dann so nahe kamen, dass sie sich fast berührten. Sie hatte es selbst gesehen.
»Ich hab die Matheaufgaben fertig«, sagte sie.
»Nenn das Mathematik, ich verabscheue das andere Wort. Das klingt nach alter, abgenutzter und verdreckter Küchenmatte. Ich hab dir das schon tausendmal gesagt. Oder tausendmal hoch zwei. Irgendwelche spannenden Aufgaben?«
»Nein«, sagte sie. »Sie waren ziemlich langweilig. Nur Malnehmen.«
»Gut. Gut. Überrascht mich ja nicht, dass du die langweilig findest.«
Sie hatte auch nicht gelogen. Die Aufgaben waren wirklich leicht. Ihr Vater hatte ihr schon Bruchrechnung beigebracht, als sie noch gar nicht zur Schule ging, und auch das kleine und das große Einmaleins. Und Logarithmen konnte sie von dem Rechenstab ablesen, den sie in der ersten Klasse zu Weihnachten bekommen hatte, obwohl sie die Logarithmen erst in der achten durchnehmen würden. Sie stellte sich gern vor, dass sie mit Sicherheit genauso viel Mathe konnte wie der Lehrer. Da sie nicht lange über die Lösungen nachzudenken brauchte, wenn sie ihre Matheaufgaben machte, nutzte sie deshalb die Zeit, um sehr sauber in ihr Heft zu schreiben, mit Lineal und Füllfederhalter, und nie vergaß sie, doppelt zu unterstreichen. Doppelte Striche schlossen die Rechenaufgabe auf eine so schöne Weise ab. Sie gab sich stets große Mühe und achtete darauf, dass die Striche immer genau gleich lang waren. Zwei parallele Striche konnten nebeneinander bis in alle Ewigkeit weitergehen, ohne sich zu begegnen. Und das Zeichen für »alle Ewigkeit« war eine auf die Seite gekippte 8. Über solche Dinge konnte sie gründlich nachdenken, wenn sie beim Hausmeister auf dem Schoß saß, dass alle Ewigkeit quer durch das Universum und noch länger reichte, während er für einen Moment zitterte und den Kopf hob und sie mit feuchten Augen anlächelte.
Vor ein paar Tagen hatte sie von Peggy-Anita Foss ein Rosinenbrötchen bekommen und bis eben noch an den Rosinen gelutscht. Peggy-Anita Foss war so hübsch, die hübscheste Frau, die sie überhaupt kannte, noch hübscher als Irenes Barbie. Und Peggy-Anita Foss gab ihr ab und zu einen kleinen Leckerbissen, ganz plötzlich, einfach so aus ihrem Einkaufsnetz, wenn sie auf dem Weg in die Wohnung war. Aber sie durfte nie zu
ihr hinein, nicht einmal im Winter, wenn es auf der Treppe eiskalt war.
Sicher weil Peggy-Anita Foss dann immer ihren Pelzmantel trug, und es ihr vom vielen Treppensteigen warm war und sie nicht begriff, wie kalt die Betonstufen sein konnten. Sie waren besonders kalt, wenn man eine nasse Hose hatte, aber das konnte Peggy-Anita Foss ja nicht wissen.
Immer wenn Peggy-Anita Foss ihre Wohnungstür aufschloss, sickerte ein wenig Wohnungsgeruch ins Treppenhaus. Durch den Zigarettengeruch hindurch roch es nach sehr viel Parfüm, nie nach Essen oder Seife. Vielleicht benutzte sie eine ganz andere Seife als alle anderen hier im Haus. Seife mit Parfüm, gab es so was wohl? Sie wusste, dass Lux Parfüm enthielt, das stand in den Illustrierten, die sie bei Irene lesen durfte, aber sicher putzte niemand die Wohnung mit Handseife. Frau Salvesen hatte eine Parfümflasche im Badezimmer stehen, das Parfüm hieß »4711«. Sie konnte einfach nicht begreifen, dass ein Parfüm wie eine Zahl heißen konnte. Irene wusste auch nicht, warum, und hatte ihre Mutter gefragt, aber die wusste es auch nicht.
Sie war gern in einem Badezimmer mit vielen Frauensachen in den Regalen. Sie sah sie sich immer schnell und gründlich an, wenn sie bei Salvesens auf dem Klo
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