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Ich werde immer da sein, wo du auch bist

Ich werde immer da sein, wo du auch bist

Titel: Ich werde immer da sein, wo du auch bist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Lacour
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müsst ganz genau hinsehen und nicht nur an der Oberfläche kratzen.«
    Ich sehe zu Dylan rüber.
    Sie weicht meinem Blick aus. Als sie ihren Aufsatz zurückbekommt, steckt sie ihn in den Rucksack, ohne den Kommentar zu lesen.
    Auf dem Weg zu meinem Spind überlege ich, was ich sagen will. Es ist schon eine Zeitlang her, dass ich ein Gespräch angefangen habe. Als ich vor ihr stehe, wirft mir Dylan einen Blick zu, aber sie schweigt. In ihrem Spind klebt ein kleines Poster mit zwei Mädchen drauf.
    »Wer ist das?«, frage ich.
    »Das ist eine Band, die ich toll finde. Lauter echt süße Homo-Mädchen aus Kanada.«
    »Oh.« Ich muss an das denken, was ich schon alles über sie gehört habe, gebe mir einen Ruck und frage sie einfach. Schließlich hab ich ja nichts zu verlieren. »Bist du das auch?«
    »Was?« Sie grinst abschätzig. »Aus Kanada?«
    »Nein. Ob du auf Frauen stehst.« Ich tu so, als würde ich das nicht zum ersten Mal jemanden fragen, als wäre gar nichts dabei.
    Sie greift nach etwas in ihrem Spind und beugt sich so weit vor, dass ich ihr Gesicht nicht sehen kann. »Ja«, tönt es hohl aus dem Spind.
    Ich suche nach einer Antwort, aber plötzlich ist mein Hirn wie ein kaputter Fernseher: nur Geflimmer. Deshalb stehe ich stumm da. Dylan hat jetzt alle Bücher in ihre Tasche gepackt und neigt sich zu mir rüber.
    »Jetzt sind wir bei dem Teil der Unterhaltung, wo
du
mir was über
dich
erzählst. Etwas Ähnliches wie das, was ich dir gesagt habe. Auf diese Weise wird ein Verhör zu einem Gespräch.«
    »Du fragst mich, ob
ich
lesbisch bin?«
    Sie hebt eine Augenbraue, und ich komme mir blöd vor.
    »Nein«, sage ich. »Bin ich nicht.«
    Sie schließt ihren Spind zu. »Ich weiß, es hört sich verrückt an. Aber ich hab gehört, dass meine Sorte und deine Sorte ganz friedlich nebeneinander existieren können.« Sie lächelt, und diesmal ist es ein nettes Lächeln. »Ich geh jetzt zu dieser Nudel-Bar.«
    Ich begreife, dass sie mich nicht noch einmal fragen wird, ob ich mitkomme. So verzweifelt ist sie nicht.
    »Ich komm mit.«
    Wir verlassen zusammen das Gebäude.
    »Hast du ein Auto?«, frage ich.
    »Nein!«, sagt sie, als hätte ich sie gebeten, mir hundert Mäuse zu leihen. »Weißt du denn, wie viele Probleme weniger wir hätten, wenn die Menschen nicht so viel Benzin verbrauchen würden? Kriege, Terrorismus, Luftverschmutzung … um nur ein paar zu nennen.«
    Als wir auf die Straße kommen, starrt uns Alicia McIntosh durch das Fenster von dem Camaro ihres Freundes an. Ich tu so, als würde ich sie nicht sehen.

23
    In der Nudel-Bar servieren sie Thai-Suppen in riesigen Schalen, aber der Raum sieht noch so aus wie der Schnellimbiss, der vorher hier drin war: Elvis-Poster an den Wänden, eine beleuchtete Jukebox am Eingang. Wir setzen uns einander gegenüber in eine Nische mit rotem Plastikpolster. Sogar hier lümmelt Dylan auf ihrem Platz. Sie trommelt mit den Fingern auf die Tischplatte und liest die Speisekarte. Anscheinend braucht sie keine Unterhaltung, um sich wohl zu fühlen. Ich hingegen suche verzweifelt nach einem Gesprächsthema. Ich entscheide mich für eine Kokosmilch-Ananas-Suppe. Dylan bestellt die süßsaure Suppe mit Pilzen und grünen Bohnen und eine große Tasse Kaffee. Sie sieht zwar provozierend aus, aber zum Kellner ist sie sehr höflich. Sie lächelt und bedankt sich, als würde sie es auch wirklich so meinen.
    »Warum hast du deine Meinung geändert?«, fragt sie mich.
    »Wie meinst du das?«
    »Ich würde gern wissen, was neulich los war. Als ich dich gefragt hab, ob du mitkommen willst. Hattest du da keinen Hunger, oder was?«
    Ich bin es nicht gewöhnt, dass Menschen so direkt sind, und weiß nicht, was ich darauf antworten soll. »Weiß ich nicht mehr.«
    Sie nickt langsam, als wüsste sie, dass ich lüge, dann sieht sie auf das Tischset aus Papier und lächelt.
    »Über welchen Song hast du geschrieben?«
    »Close to you«
, sage ich, obwohl ich bezweifle, dass sie den kennt.
    »The Cure, stimmt’s?«
    »Ja. Magst du sie?«
    »Klar. Meine Eltern haben ein paar Alben.«
    Der Kellner bringt unsere Getränke.
    »Sahne und Zucker?«, fragt er sie.
    »Nein, danke.«
    Sie hängt über ihrer Tasse und atmet den Dampf ein.
    »Und wie lautete deine Interpretation?«
    Ich öffne meinen Rucksack, um den Aufsatz rauszuholen, und sehe, dass die Innentasche, in der Ingrids Tagebuch steckt, halb offen steht. Die obere Ecke des Heftes sieht mich an. Ich ziehe den Reißverschluss zu und hole

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