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Ich werde immer da sein, wo du auch bist

Ich werde immer da sein, wo du auch bist

Titel: Ich werde immer da sein, wo du auch bist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Lacour
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ich habe im vergangenen Jahr viele Landschaftsfotos gemacht, die ich ziemlich gut finde. Ich hab die Golden Gate Bridge schräg von unten nach oben fotografiert. Es war cool, weil sie bestimmt schon eine Million Mal geknipst wurde, aber ich habe noch nie ein Foto aus dieser Perspektive gesehen. Ich stelle mir vor, wie das vergrößerte Bild die ganze Wand bedeckt, und höre im Geist Ms Delani sagen:
Ausgezeichnete Arbeit, Caitlin.
Ich höre das ganz deutlich, jede Silbe.
    Klick.
Krähen auf einem weiten Feld.
    »Seht ihr, wie raffiniert hier mit unterschiedlichen Sichtachsen gearbeitet wurde?«
    Klick.
Sand und Wellen und in der Ferne Alcatraz.
    Klick.
Eine seltsame Anordnung von Felsblöcken.
    Klick.
Ein Hügel mit Blümchen unter klarem, blauem Himmel.
    Ich blinzele. Noch nie habe ich Ingrids Hügel so groß gesehen. Die Blumen stehen in voller Blüte. Ich kann sogar einzelne Grashalme erkennen. Ich möchte die Augen schließen und dorthin gebracht werden, zu diesem Tag. Ich weiß noch, wie kalt die Erde unter meinen nackten Fußsohlen war. Ingrid hatte ihren lila Schal umgebunden.
    Ms Delani klickt den Hügel weg, und eine andere Landschaft taucht auf, aber ich sehe sie nicht. Stattdessen sehe ich Ingrids Augen ganz nah und ganz blau, wie sie direkt in die Linse schaute.
Klick.
    Ingrids Finger mit den vielen Silberringen.
Klick.
    »Seht ihr, wie interessant hier die Leerstellen sind?«
    Ihre sorgfältige, säuberliche Handschrift.
Klick.
    Die riesige rote Sonnenbrille, die ihr halbes Gesicht verdeckt.
Klick.
    Die rosa-weißen Narben auf ihrem Bauch.
Klick.
    »Achtet auf den Kontrast.«
    Ein tiefer Schnitt in ihrem Arm, er blutet.
Klick.
    Ihre Augen, leer.
    Klick.
    Das Wort
ugly
in ihre Haut an der Hüfte geritzt.
Klick.
    »Der Fokus dieses Fotos ist nicht der Baum. Aber sein Schatten wird betont.«
    Das Licht geht wieder an.
    Ingrid verschwindet.
    Ich muss schreien, irgendwas zerschmettern. Ich kralle mich dermaßen am Tischrand fest, dass meine Hand schmerzt, als würde sie gleich aufplatzen.
    Ms Delani steht vorn im Klassenzimmer, sie trägt teuer aussehende Nadelstreifenhosen und ein frisches weißes Button-Down-Hemd. Ihre Frisur sitzt perfekt, ihre Haut ist makellos, das rote Brillengestell rahmt ihre Augen perfekt ein. Sie geht zur Tafel und beginnt etwas anzuschreiben.
    »Ähm …« Meine laute Stimme zittert. Ich weiß nicht, was ich sagen will, aber ich weiß, dass ich etwas sagen muss. Alles verschwimmt vor meinen Augen. »Haben Sie die Erlaubnis, diese Bilder zu zeigen?« Ich höre mich an, als wäre ich verrückt, ich rede viel zu laut.
    Ms Delani unterbricht das Schreiben und lässt die Kreide sinken.
    »Welche Fotos?«
    »Alle. Die Fotos von Schülern, die sie gezeigt haben, ohne auch nur ihre
Namen
zu nennen.«
    Niemand sieht mich an. Zum ersten Mal scheint Ms Delani nicht zu wissen, was sie sagen soll. Ich bekomme fast einen Krampf, aber ich muss mich an diesem Tisch festhalten. Einige Mädchen kichern nervös, und dann lächelt Ms Delani. Sie lässt ihren strahlenden Blick über die Gesichter wandern und sagt: »Caitlin hat etwas Interessantes festgestellt. In Zukunft werde ich meine Schüler um Erlaubnis fragen, ob ich ihre Arbeiten als Beispiele verwenden darf.«
    Dann dreht sie sich wieder zur Tafel um und schreibt weiter.

25
    In der nächsten Stunde kommt ein älterer Schüler mit einem gelben Formular in die Klasse. Mein Geschichtslehrer wirft einen Blick darauf.
    »Caitlin.« Er streckt den Arm aus und hält den Zettel nur an einer Ecke, als ob er stinken würde.
    Ich stehe auf.
    »Nimm deine Sachen mit«, sagt er, und ich werde knallrot.
    Ich folge den Anweisungen auf dem Zettel und gehe zum Rektorat. Die Sekretärin schaut nicht auf, als ich vor ihrem Schreibtisch stehe.
    »Ich hab das hier bekommen.« Ich reiche ihr den Zettel.
    Sie wirft einen Blick darauf. »Ms Haas’ Büro ist am Ende des Flurs«, sagt sie.
    Ich trotte den Flur entlang zu dem Büro, aber die Tür ist geschlossen und ich höre von drinnen Stimmen. Mein Herz pocht stärker – hat Ms Delani meine Eltern angerufen? Ich kann sie mir in dem Büro vorstellen, wie sie nebeneinandersitzen. Mom betupft sich die Augen mit einem Papiertaschentuch, Dad tätschelt ihre Hand und sieht sorgenvoll drein.
    Die Tür schwingt auf und Melanie kommt heraus.
    »Oh, hey, was geht ab?«
    Wir stehen uns in der offenen Tür gegenüber.
    »Hübsche Frisur«, platze ich heraus und bereue es sofort. Zum einen stimmt es nicht. Zwischen die

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