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Ich werde immer da sein, wo du auch bist

Ich werde immer da sein, wo du auch bist

Titel: Ich werde immer da sein, wo du auch bist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Lacour
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total hin.«
    Er zeigt auf die schiefgelatschten Sohlen. Kopfschüttelnd sagt er: »Die Leute müssen ja denken, wir lassen dich verkommen. Die hetzen uns den Kinderschutzbund auf den Hals. Wir müssen dir ganz fix neue Schuhe besorgen.«
    Ich verdrehe die Augen. Es ist Samstagmorgen, und er trägt ein Polohemd und die peinlichsten Shorts, die die Welt je gesehen hat. Ich sehe runter auf seine Schuhe. Leider sind sie makellos.
    »Na gut«, sage ich.
    Ich zockele nach oben, schaue in den Spiegel, schmiere ein bisschen Make-up unter die Augen, damit ich nicht wie ein Zombie aussehe, nehme meinen Rucksack und gehe wieder zu ihm runter.
    »Den brauchst du doch nicht wirklich, oder?« Er zeigt auf den Rucksack.
    »Da ist mein Portemonnaie drin.«
    »Ich bezahl die Schuhe. Du brauchst kein Geld.«
    Ich will das Tagebuch nicht hierlassen. »Na ja, aber da ist mein ganzes Zeug drin. Vielleicht brauch ich was davon.«
    Er zuckt die Achseln. »Wie du meinst.«
    Im Auto fragt er mich, wie es mit dem Brainstorming klappt.
    »Brainstorming?«
    »Weißt du denn schon, was du bauen willst?«
    »Oh.« Ich sehe runter auf den schwarzen Ledersitz und fahre mit dem Finger am Rand entlang. »Ich hab mich noch nicht entschieden.« Es soll so klingen, als hätte ich schon etliche Ideen und wüsste bloß noch nicht, für welche ich mich entscheiden soll.
    Er nickt. »Schön. Ich kann es kaum abwarten, was immer es auch wird.«
    Ich erwidere nichts, und er stellt das Radio an. Wir hören zwei Automechanikern zu, wie sie im Bostoner Dialekt rumwitzeln und Ratschläge geben.
    »Wann willst du deinen Führerschein machen?«, fragt er scheinbar beiläufig.
    Ich zucke die Achseln und schaue aus dem Fenster. Überall ist es schrecklich hell, und ich möchte die Augen schließen.
    Er wirft mir von der Seite einen Blick zu. Die Automechaniker im Radio lachen. Dann tätschelt Dad mein Knie.
    »Bloß keine Eile. Du hast alle Zeit der Welt.«
    Es ist noch gar nicht lange her, da wäre ich gern shoppen gegangen, aber als wir zum Kaufhaus kommen, ist mir alles zu viel – all die Sachen, die ich haben wollen soll. Um mich herum drängeln sich die Leute, gehen von Schuh zu Schuh und sagen:
Och, wie cool, schau mal den
, heben Schuhe hoch und drehen sie um, um das Preisschild anzusehen.
    Ich steh bloß da und überlege, wo ich anfangen soll, und vergesse, wozu das Ganze gut sein soll. Ich merke, dass mein Vater mich ansieht. Ich weiß, dass er sich wünscht, ich würde irgendetwas tun, aber ich kann nicht.
    Schließlich hebt er ein Paar grüne Converses hoch, die auf einem runden Tisch vor uns ausgestellt sind.
    »Was hältst du davon?«, fragte er.
    »Hübsch.« Ich muss an Ingrids rote Chucks denken und dass sie etwas auf die weißen Gummikappen und auf die Seiten geschrieben hatte.
    »Wir nehmen die hier«, sagt Dad zu einem Verkäufer. »Größe sieben. Stimmt doch, Caitlin?«
    Ich nicke.
    »Wollen Sie sie nicht anprobieren?«, fragt der Verkäufer.
    »Wenn sie nicht passen, bringt sie sie zurück«, sagte Dad und gibt ihm seine Kreditkarte.
    Während wir darauf warten, dass der Verkäufer den Preis eintippt, sehe ich ein Mädchen von unserer Schule. Ich kenne nicht mal ihren Namen. Sie ist in einem Spezialkurs, nicht in dem für Lernbehinderte, sondern in einem für sogenannte gefährdete Jugendliche. Unsere Blicke treffen sich über einer Schuhauslage.
    »Hey, du gehst doch auf die Vista, oder?«, fragt sie.
    »Ja.«
    In ihre Haare sind Strähnchen von tausend verschiedenen Brauns oder Blonds gefärbt. Es sieht aus, als würde sie alle paar Tage die Haarfarbe ändern und ihre Haare würden jetzt deshalb meutern – blond bei den Ohren, hellbraun an den Wurzeln, am Hinterkopf blitzt Orange auf.
    »Du heißt doch Caitlin, nicht? Ich bin Melanie. Vielleicht kennst du mich nicht, weil ich nicht oft auf dem Campus rumlaufe. Ich esse mittags immer mit ein paar anderen auf der Baseballtribüne. Das ist etwas ab vom Schuss, weißt du?« Alle Sätze kommen sehr schnell und aufgeregt raus.
    »Ich kenne dich.« Ich würde sie gern fragen, woher sie meinen Namen kennt, aber ich kann mir schon denken woher, und ich möchte ihre Erklärung nicht hören. Mein Vater geht an die Kasse, um den Bon zu unterschreiben. Melanie sieht mich nicht an. Stattdessen hebt sie alle Stiefel auf dem Tisch vor uns hoch und drehte sie um, um sich die Preisschilder anzusehen. Das Irre ist, dass sie die Stiefel selbst kaum anschaut. Ich bin mir nicht mal sicher, ob sie die Preise

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