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Ich werde immer da sein, wo du auch bist

Ich werde immer da sein, wo du auch bist

Titel: Ich werde immer da sein, wo du auch bist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Lacour
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verrückt machen? Würdest du es verstehen? Würdest du allen in der Schule erzählen, dass ich bekloppt und krank bin? Immer wenn ich deine Arme sehe, möchte ich von ihnen umarmt werden, und ich weiß, das hört sich kitschig an, aber bestimmt hat sich noch nie etwas so toll angefühlt.
     
    In Liebe
    Ingrid
    Ich stürze zu meinem Schrank und halte Ingrids Tagebuch so, als wäre es zu heiß zum Anfassen. Ich zerre alle Klamotten aus dem Wäschekorb, lass das Tagebuch reinfallen und stopfe die Sachen wieder rein.
    Es war nicht unfair von mir, dass ich nicht dauernd über Jayson reden wollte. Ich war doch immer mit all ihren Plänen einverstanden, wonach sie ihm ständig ganz zufällig über den Weg laufen wollte, oder dass wir ganz lässig nach der Schule am Haus seines Vaters vorbeigelaufen sind, in der Hoffnung, er würde uns sehen. Nur weil ich ein paar Minuten am Tag auch mal von was anderem reden wollte, brauchte sie doch nicht so über mich zu schreiben. Und diese Sache mit dem Wehtun. Ingrid und ich fühlten oft dasselbe, deshalb kapiere ich das einfach nicht. Wie kann man wollen, dass etwas weh tut? Vielleicht habe ich es missverstanden. Egal. Ich will nicht mehr darüber nachdenken.
    Ich gehe raus zu dem Holzhaufen. Ich ziehe ein langes Brett vom Stapel und zerre es den Abhang runter in den hinteren Teil des Gartens. Es ist schwerer, als ich dachte. Ich schleppe das Brett an der kleinen Terrasse aus Ziegelsteinen und an den Blumen vorbei, die kleine Anhöhe hoch, dorthin, wo es nicht mehr wie in einem Garten aussieht, sondern die Bäume fast so dicht wie in einem Wald stehen. Ich lasse das Brett vor meinem Lieblingsbaum fallen. Es ist eine mächtige Eiche. Als Kind bin ich da immer raufgeklettert.
    Nachdem ich verschnauft habe, gehe ich wieder zurück, um noch mehr Holz zu holen. Falls mir jemals eine Idee kommt, was ich damit machen will, soll mich keiner dabei beobachten können.
     
    Später rufen meine Eltern mich in die Küche. Mom wäscht Salat, und Dad erhitzt in einer Pfanne Olivenöl und Knoblauch.
    »Was ist?«
    Dad dreht sich zu mir um. »Also, dir auch erst mal guten Tag.«
    Er hat die Krawatte abgenommen und die zwei obersten Knöpfe von seinem Hemd geöffnet. Er streckt mir die Arme entgegen, um mich zu umarmen, aber ich tu so, als würde ich das nicht sehen, und öffne stattdessen die Gefrierschranktür. Die Kälte tut gut.
    »Wie war dein Tag, Süße?«, fragt Mom.
    »Okay. Braucht ihr Hilfe?«
    »Du könntest die Zwiebel da schneiden«, sagt sie.
    Ich hole mir ein Messer aus der Schublade.
    Dad erzählt eine Geschichte weiter, von der ich den Anfang nicht mitbekommen habe. Zuerst versuche ich zuzuhören, aber ich habe keine Ahnung, worum es geht. Ich schneide die Zwiebel in zwei Hälften, und meine Augen tränen.
    Gleich darauf klingelt das Telefon, und Dad drückt auf die Lautsprechertaste.
    »Hallo?«
    Wir warten. Dann ertönt eine Tonbandstimme.
    »Hier ist das Sekretariat der Vista Highschool. Wir möchten Ihnen mitteilen, dass Ihr Kind heute eine oder mehrere Unterrichtsstunden versäumt hat. Dies gilt als unentschuldigtes Fehlen, bis wir ein medizinisches Attest oder die Entschuldigung eines Elternteils oder Vormunds erhalten, wonach das Fehlen durch einen Notfall in der Familie begründet war.«
    Dad rührt nicht mehr. Mom dreht das Wasser ab. Ich stehe mit dem Rücken zum Telefon und schneide die Zwiebel.
    Scheiße. Ich habe nicht mehr an diese telefonischen Benachrichtigungen gedacht.
    »Caitlin, hast du die Schule geschwänzt?« Moms Stimme klingt bemüht ruhig.
    Ich höre mit dem Schneiden auf und drehe mich um. Vielleicht sind sie nachsichtiger, wenn sie sehen, was ihre Zwiebel meinen Augen antut. Aber sie glotzen mich nur an.
    Mir fällt keine gute Entschuldigung ein, deshalb sage ich einfach: »Ich hasse meine Fotografielehrerin.«
    »Ms Delani?« Mom hebt überrascht die Augenbrauen.
    »Letztes Jahr hast du sie sehr gemocht«, sagt Dad.
    Meine Eltern sehen sich an, aber sie schweigen. Ich merke, dass meine Mutter enttäuscht ist. Ihre Lippen werden schmal, und sie atmet kurz und schnell. Dad dreht die Herdplatte aus und seufzt.
    Schließlich sagt er: »Caitlin, du kannst nicht einfach die Schule schwänzen. Es wird in deinem Leben noch jede Menge Leute geben, die du nicht magst, und du musst lernen, mit ihnen klarzukommen.«
    »Ms Delani ist eine sehr, sehr nette Frau«, sagt Mom. »Sie hat dir und Ingrid letztes Jahr so viel beigebracht.«
    »Sie hat mir überhaupt nichts

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