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Ich werde immer da sein, wo du auch bist

Ich werde immer da sein, wo du auch bist

Titel: Ich werde immer da sein, wo du auch bist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nina Lacour
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Schimmer, dass von Typen wie Taylor erwartet wird, dass sie nur mit den Alicias der Schule zusammenarbeiten. Er murmelt: »Taylor und Caitlin«, und notiert unsere Namen auf einem Blatt Papier.

30
    Als ich zur Bibliothek komme, unterhält sich Dylan mit dem aufsichtführenden Lehrer, deshalb bleibe ich im Hintergrund und blättere in einem Stapel Kunstbücher.
    Ich sehe hinüber zu Dylan, aber sie redet immer noch. Sie sieht mich und macht mir ein Zeichen –
gleich
!
    Ich sehe mir die Titel der Bücher genauer an: Eins beschäftigt sich mit Brücken und eins mit der Inneneinrichtung kleiner Räume.
    Dann sehe ich auf einem Buchumschlag ein Baumhaus. Ich schlage es auf – und erwarte Abbildungen von selbtgezimmerten Baumhäusern für kleine Kinder. Aber ich finde etwas ganz anderes. Hier sind richtige Baumhäuser abgebildet. Solche, die wirklich von Menschen bewohnt werden, sie wurden hoch oben zwischen die Äste gebaut und sehen toll aus. Sie sind relativ klein, sehr individuell und freundlich. Manche sind richtig eingerichtet, sie haben Bücherregale und Schreibtische. Ich hatte keine Ahnung, dass es solche Baumhäuser gibt.
    Plötzlich steht Dylan hinter mir.
    »Hey. Entschuldige. Gehn wir?«
    Ich sehe sie nicht mal an. Ich muss immer weiter in diesem Buch blättern. Es gibt nicht nur Fotos, sondern auch Listen von allem, was man braucht, um ein Baumhaus zu bauen, außerdem eine illustrierte Bauanleitung mit Anweisungen, wie man Schritt für Schritt vorgehen soll.
    Ich denke nur noch an die vielen Holzbretter, die bloß darauf warten, dass ich etwas mit ihnen mache.
    »Komm schon«, sagt Dylan.
    »Ich muss das nur noch eben ausleihen.«

31
    Als wir mit der Rolltreppe vom U-Bahnhof an der Kreuzung Sixteenth und Mission Street hochfahren, stehen da massenweise Bettler, die von uns was zu essen oder Zigaretten wollen. Oder man soll ihnen ihre Zeitungen abkaufen oder ihnen Kleingeld geben, damit sie ›nach Hause fahren‹ können. Mir ist das alles zu viel, aber Dylan hat die Situation total im Griff.
    »Tut mir leid, Mann«, sagte sie zu einem Jungen, der höchstens ein paar Jahre älter ist als wir und einen wütenden Hund an der Leine hat.
    Zu den aufdringlicheren Männern, die sich uns in den Weg stellen, sagt sie einfach hart: »Nein.«
    Immer wenn Ingrid und ich nach Berkeley oder San Francisco gefahren sind und gesehen haben, wie manche Menschen dort lebten, heulte Ingrid bei der kleinsten Kleinigkeit los – ein kleiner Junge, der ganz allein unterwegs war, eine streunende Katze mit räudigem Fell, ein weggeworfenes Pappschild mit der Aufschrift BIN HUNGRIG BITTE HELFEN . Sie hat das alles fotografiert, und wenn sie die Kamera wieder sinken ließ, flossen die Tränen.
    Ich hatte immer Schuldgefühle, weil mich das alles nicht genauso traurig machte, aber als ich jetzt Dylan beobachte, finde ich das eher gut.
    Man sieht schließlich jeden Tag tausend schreckliche Sachen in den Nachrichten, in der Zeitung und im echten Leben. Natürlich ist es nur normal, dass einen das traurig macht, aber wenn man es zu nah an sich heranlässt, zieht es einen total runter.
    Ich laufe mit Dylan schnell die Achtzehnte bis Valencia entlang, dann rüber nach Guerrero, bis wir schließlich die Dolores Street erreichen und ich den Park sehe.
    »Das ist meine alte Schule.« Dylan zeigt auf ein altes, eindrucksvolles Gebäude hinter einem öffentlichen Tennisplatz und einer Bushaltestelle. »Und das«, sie zeigt auf Jugendliche, die unter einem Baum sitzen, »sind meine Freunde.«
    Wir gehen auf die Gruppe zu, und beim Näherkommen erkenne ich sie deutlicher: Ein Junge mit schmächtigen Armen in schwarzen Jeans, ein Pärchen – ein Junge und ein Mädchen – sitzt mit dem Rücken am Stamm und hält Händchen.
    »Dylan!«, rufen alle, jeder so laut er kann.
    Ich lächle nervös. Die lässige Art, wie sie da sitzen, verrät gleich, dass sie viel cooler sind, als ich es jemals sein werde. Sie sehen ganz anders aus als die Typen von meiner Schule, irgendwie erwachsener. Dylan und ich setzen uns zu ihnen ins Gras. Ich schweige, aber nicht, weil sie mich nicht einbeziehen. Es ist einfach angenehm, so dazusitzen und ihnen zuzuhören. Die Hälfte der Geschichten richtet sich an mich, weil sie mir von sich und den anderen erzählen. In einer geht es um einen rund um die Uhr geöffneten Imbiss in der Church Street und dass der Junge in den Jeans in eine Kellnerin verknallt war, die immer Spätschicht hatte. Jeden Abend schlich er sich

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