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Ich werde schweigen Kommissar Morry

Ich werde schweigen Kommissar Morry

Titel: Ich werde schweigen Kommissar Morry Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans E. Koedelpeter
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fiel es ihm zum ersten Mal auf, daß ihn die Hausbewohner kaum noch grüßten. Einige wichen ihm feindselig aus. Die anderen machten verschlossene Gesichter. So fängt es an, dachte Richard Donally grimmig. Es wird noch schlimmer werden. Sie werden mich hetzen und verfolgen. Sie werden nicht ruhen, bis ich auf der Strecke bleibe.
    Früher hatte er immer in den benachbarten Geschäften eingekauft. Aber heute ging er in ein anderes Stadtviertel, um dort seine Besorgungen zu erledigen. Er kaufte Konserven, Würste und Dauerbrot. Das alles verstaute er sorgfältig in seiner Mappe.
    Als er bis zu den Zigaretten alles beisammen hatte, trat er den Rückweg an. Aber wieder machte er einen weiten Bogen um seine Wohngegend. Er war sorgsam darauf bedacht, im dichtesten Verkehrsgewühl unterzutauchen.
    Oftmals drehte er sich um. Jedem Passanten starrte er argwöhnisch ins Gesicht. Jedem Bobby ging er scheu aus dem Wege. Als er in einer engen, finsteren Gasse angekommen war, ging er wachsam an den dunklen Mauern entlang. Zur Linken lag eine Fabrik, dahinter zahlreiche Werkstattschuppen und Lagerhäuser. Zur Rechten Befand sich ein halbverfallenes Gebäude, in dem früher eine Gemüsehandlung gewesen war. Die Fenster waren mit Brettern vernagelt. Die Tür, die in den ehemaligen Obstkeller führte, war mit einem starken Vorhängeschloß gesichert. Niemand konnte auf den ersten Blick erkennen, daß dieses schwere Schloß nur eine Atrappe war.
    Richard Donally drehte sich noch einmal um, .spähte mißtrauisch nach links und rechts, dann klopfte er leise an die hölzerne Tür.
    Er hörte, daß innen ein Riegel zurückgeschoben wurde. „Wer ist da?“, raunte eine brüchige Stimme.
    Richard Donally nannte seinen Namen. Kurz nachher wurde ihm die Tür aufgetan. Ein bleiches, verfallenes Gesicht schälte sich aus dem Dunkel. Zwei flackernde Augen tasteten den Besucher ab. Eine magere Hand krallte sich in seinen Arm und zog ihn hinunter in das Dunkel.
    Richard Donally atmete beklommen die dumpfe Kellerluft ein. Es war fast völlig finster. Nur durch die Luke, die etwa in Höhe der Straße lag, fiel trüber Lichtschein. Wie gespenstische Schatten gingen draußen die Passanten vorüber. Man sah sie nur in verzerrten Umrissen. Richard Donally legte seine Mappe auf ein Gestell, das früher zur Aufbewahrung für Winterobst gedient hatte.
    „Ich habe dir etwas zu essen mitgebracht“, murmelte er. „Es wird für eine Woche reichen. Ich komme aber trotzdem früher wieder. Brauchst du sonst noch etwas?“
    „Wie sieht es draußen aus?“, fragte Irving Bacon erregt. „Sind sie schon hinter mir her? Suchen Sie mich? Wurdest du unterwegs verfolgt?“
    „Mach dir keine Sorgen“, sagte Richard Donally tröstend. „Kein Mensch wird dich hier finden. Abgesehen davon kann ich nicht begreifen, warum du dich in diesem Loch verkriechst. Willst du nicht in deine Wohnung zurückkehren?“
    „Gott steh mir bei“, stammelte Irving Bacon entsetzt. „Man würde mich sofort verhaften. Oder töten. Ich würde das gleiche Schicksal erleiden wie Mark Vereston.“
    „Auch William Dudley wurde inzwischen ermordet“, sagte Richard Donally wortkarg. „Weißt du das?“
    Irving Bacon gab keine Antwort. Er tappte ein paar Schritte zur Kellerluke hin und starrte durch die erblindeten Scheiben hinaus auf die Straße.
    „Ich habe Angst“, raunte er. „Tag und Nacht lebe ich in einer zermürbenden Angst. Ständig fürchte ich, sie könnten mir Spitzel auf den Hals hetzen. So oft jemand auf der Straße stehen bleibt, sehe ich in ihm einen Verräter. Unablässig habe ich das Gefühl, als ginge der Tod um dieses Haus.“
    Richard Donally wußte nicht, was er darauf antworten sollte. Er knipste sein Feuerzeug an und begann die Mappe auszupacken. Als er über das Regal tastete, geriet plötzlich ein rötliches Blütenblatt in seine Finger. Ein Blatt, das die Form einer Sichel hatte. Richard Donally wollte etwas sagen, aber dann ließ er es sein. Es war besser, zu schweigen. Mit Worten war hier nichts mehr zu ändern.
    „Übrigens“, meinte er nach einer Weile, „habe ich eine Neuigkeit für dich. Melanie Garden ist mit ihrer Tochter nach London zurückgekehrt. Sie wohnt am Alexandra Park in Hornsey.“
    Irving Bacon kam hastig auf ihn zu. Er bewegte sich lautlos und schattenhaft wie ein Nachttier. Sein Atem ging flach und gepreßt.
    „Sind sie wirklich da?“, fragte er stammelnd.
    „Ja.“
    „Dann mußt du sofort zu ihnen gehen, hörst du? Versuch, sie

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