Ich werde schweigen Kommissar Morry
Windstoß an den Fenstern rüttelte, lauschte er mit angehaltenem Atem. Dann schrillte plötzlich das Telephon auf dem Nachttisch. Die Glocke des Apparts schlug so jäh und unvermittelt an, daß Pancras Holm erschreckt aus den Kissen fuhr.
Wer ist das, dachte er unruhig. Wer könnte in dieser späten Stunde noch anrufen? Ob ich mich überhaupt melden soll? Er zögerte eine geraume Weile.
Dann nahm er endlich doch den Hörer auf. Seine Hände umklammerten den Griff, daß die Knöchel weiß hervortraten. „Pancras Holm“, murmelte er heiser. „Mit wem habe ich die Ehre?“
Ein häßliches Gemecker klang durch den Draht. Vergebens wartete Pancras Holm auf einen Namen. Das dämliche Gelächter dauerte eine geraume Zeit. Dann kamen plötzlich hastige, schnarrende Worte, die Pancras Holm von einer Sekunde zur ändern in einen Abgrund lähmender Angst stürzten.
„Warum verschweigen Sie der Polizei, daß Sie damals in Brasilien von Mr. Garden einen Brief erhielten?“, fragte die krächzende Stimme. „Sie bekamen einen Brief, in dem Sie von Mr. Garden aufgefordert wurden, seiner Gattin nicht weiterhin so auffällig den Hof zu machen. Mr. Garden schrieb Ihnen weiterhin, daß er Sie bei einem zärtlichen Stelldichein mit seiner Gattin beobachtet hätte. Er warnte Sie sehr dringend vor weiteren Dummheiten. Am nächsten Tag fand man ihn dann ermordet auf der Terrasse seines Hauses.“
Pancras Holm sah den Hörer an, als zweifle er an seinem Verstand. Keuchend rang er nach Luft. „Woher wissen Sie denn überhaupt . . . ?“
„Der verstorbene William Dudley war bei Ihnen im Zimmer, als Sie den Brief erhielten. Er wußte genau, daß Sie . . .“
„Hören Sie auf“, stöhnte Pancras Holm gepeinigt. „Ich kann das nicht mehr hören. Wer sind Sie denn eigentlich? Gehören Sie zur Polizei? Oder wollen Sie Geld? Was muß ich denn tun, um mir Ihr Schweigen zu erkaufen?“
„Kommen Sie morgen um Mitternacht zur Brücke am Fish Market“, sprach die blecherne Stimme ungerührt weiter. „Bringen Sie tausend Pfund mit, Mr. Holm. Dann werden Sie Ihre Ruhe vor uns haben.“
„Tausend Pfund“, ächzte Pancras Holm verstört. „Ich bin nicht so reich, wie Sie denken. Tausend Pfund sind ein Vermögen. Ich habe nicht so viel.“ „Sie können sich das Geld schon irgendwie beschaffen“, klang es aus dem Apparat. „Sie haben vierundzwanzig Stunden Zeit. Bis morgen Nacht also, Mr. Holm. So long!“
„Hallo!“, schrie der verstörte Mann laut in die Muschel. „Hallo! Nehmen Sie doch Vernunft an! Ich weiß nicht, woher ich .soviel Geld nehmen soll . . .“
Er hätte sich die Worte sparen können. Die Verbindung war längst abgerissen. Der Teilnehmer hatte abgehängt.
„Das ist der Anfang vom Ende“, stöhnte Pancras Holm, als er den Hörer auf die Gabel legte. An Schlaf war nun in dieser Nacht nicht mehr zu denken. Er lag wach, bis der Morgen graute.
Am nächsten Abend saßen Rex Chapel und Ernest Gropp wie immer im Mitternachtssaloon der Witwe Pattison am Fish Market zusammen. Sie tranken und bliesen mächtige Wolken in die Luft. Das war so ziemlich ihre einzige Beschäftigung.
„Heute klappt es“, sagte Rex Chapel siegesgewiß. „Ich habe einen sechsten Sinn für solche Dinge. Pancras Holm wird zahlen, verlaß dich drauf! In zwei Stunden ist es so weit!“
Ernest Gropp blinzelte schläfrig in den Zigarettenrauch. „Mir soll es recht sein“, murmelte er mit der stoischen Bierruhe eines Berufstrinkers. „Dann stell mal zur Feier des Tages ein paar Schnäpse auf den Tisch.“
Rex Chapel zierte sich nicht lange. Er ließ Brandy und Sandwiches auffahren. Dazu Zigaretten und Zigarren in phantastischer Aufmachung. Sie stießen gerade mit grinsenden Gesichtern an, als Ben Hopkins hinter ihnen auftauchte. Ihr ehemaliger Wortführer und Boß war schlechtester Laune. Seine Unterlippe schleifte fast auf dem Fußboden.
„Habt ihr Lacy Acklam nicht gesehen?“, fragte er wortkarg.
„No! Er war seit drei Tagen nicht mehr da. Wir wären längst verhungert, wenn wir uns auf euch Leimsieder verlassen würden.“
„Sorry!“, brummte Ben Hopkins achselzuckend. „Es hat bis jetzt noch immer nicht geklappt. Bin noch nicht dazu gekommen, die heiße Ware zu verscheuern. Die Hehler sind zu ängstlich, weil ständig die Cops bei ihnen herumwimmeln.“
Er unterbrach sich. Seine Augen wurden plötzlich groß und starr. Wie gebannt stierte er auf die Schätze, die seine beiden Freunde vor sich aufgebaut hatten. Gierig sog er
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