Ich werde schweigen Kommissar Morry
Abgeordneten, die als einzige dem Tod entronnen sind, keinen Moment aus den Augen. Ebenso werden Sie Daisy Hoorn Ihre besondere Aufmerksamkeit schenken. Kann ich mich darauf verlassen?“
Puck runzelte verblüfft die blonden Brauen. „Daisy Hoorn?“, fragte er ungläubig. „Halten Sie das Mädchen etwa für eine Helferin des Mörders?“
„Später“, sagte Morry ungeduldig. „Später werde ich Ihnen alles erklären. Jetzt habe ich keine Zeit mehr. Ich muß ein paar dringende Gänge erledigen.“
Erst am späten Abend kam Kommissar Morry dazu, Melanie Garden in ihrem Haus am Alexandra Park zu besuchen. Es war genau zehn Uhr, als er durch das Gartentor schritt. Vielleicht ist sie heute in besserer Verfassung, dachte er. Mit hysterischen Zusammenbrüchen ist mir nicht gedient. Ich brauche ihr Geständnis. Er hatte kaum geläutet, da öffnete ihm Sonja Garden auch schon die Tür. Sie war blaß und verängstigt.
„Ich weiß nicht, ob Sie zur rechten Stunde kommen, Sir“, sagte sie bedauernd. „Mutter fühlt sich nicht wohl. Vorhin war noch der Arzt bei ihr. Er sagte, daß sie dringend der Schonung bedürfe.“
„Ich werde sehr behutsam mit ihr umgehen“, versprach Morry. „Führen Sie mich bitte zu ihr.“
Melanie Garden lag auf dem Diwan und war mit dicken Decken eingehüllt. Bleich lag ihr Kopf auf den Kissen. Ihre Augen tasteten furchtsam über den Kommissar hin.
„Ich habe Angst“, flüsterte sie. „Schreckliche Angst. Sie werden keine Ruhe geben, bis sich die Gefängnistore hinter mir schließen. Das stimmt doch, Kommissar?“
„Es hängt von Ihrer Beichte ab, Mrs. Garden“, sagte Morry schonend. „Vielleicht sind Sie unschuldig. Vielleicht hat Ihr Geliebter den Mord allein auf sich geladen?“
„Nein“, stammelte Melanie Garden erschreckt. Ober ihr Gesicht flogen die Schatten düsterer Erinnerungen. „Nein, er hat es nicht allein getan. Ich habe ihn dazu überredet. Ich wollte weg von diesem Mann, der mich unbarmherzig in dem fremden Land festhielt. Freiwillig hätte er mich nie gehen lassen. Da beschlossen wir, ihn zu. . .“
Kommissar Morry spähte zu den Fenstern hin. Die Vorhänge klafften in der Mitte einen Spalt breit auseinander. Ein paar Zoll der schwarzen Glasscheibe wurden sichtbar. Und in diesem schwarzen Glas tauchte plötzlich ein weißer Fleck auf. Ein verzerrtes Gesicht, in dem zwei Augen wie schwelende Fackeln loderten. Es waren die Augen eines Teufels. Eines Satans, der sechs Opfer ungerührt hatte sterben sehen.
Mit dem untrüglichen Instinkt des langjährigen Detektivs warf sich Kommissar Morry blitzschnell zur Seite. Es war um keine Sekunde zu früh. Die ruckartige Bewegung rettete ihm das Leben. Denn noch im gleichen Moment zerklirrte die Scheibe unter einem peitschenden Schuß. Eine Kugel surrte tückisch durchs Zimmer und schlug klatschend in die Wand. Wäre Morry auf seinem Platz sitzengeblieben, so hätte die Kugel mit tödlicher Sicherheit und genau abgezirkelt sein Herz durchschlagen.
„Ich werde alles sagen, Sir“, schrie Melanie Garden in panischem Entsetzen. „Ich werde nichts mehr verheimlichen. Aber Sie müssen mich von hier wegbringen. Hier, in diesem Haus, sterbe ich tausend Tode.“
Sie erlitt einen erneuten Zusammenbruch. Ihr Körper wand sich in qualvollen Krämpfen. Blasiger Schaum trat auf ihre Lippen. In diesen Minuten war sie dem Tod näher als dem Leben. Das sah Kommissar Morry ein, daß man ihr helfen mußte. Er ordnete an, daß man sie in ein Hospital überführen sollte. Schon zwanzig Minuten später fuhr der Krankenwagen vor. Melanie Garden wurde auf eine Tragbahre gelegt, ins Auto geschafft und behutsam weggefahren.
22
Sonja Garden hatte das alles stumm mitangesehen. Sie war so verstört, daß sie kaum eine Regung empfinden konnte. Sie wußte nur, daß sie jetzt allein war. Ganz allein in diesem einsamen Haus. Der Gedanke allein ließ sie erschauern. Sie blickte sich beklommen in den verödeten Räumen um. Hinten in seinem Körbchen winselte der Hund. Auch er kam nicht zur Ruhe. Scheinbar ahnte sogar das Tier, wie düster und unheimlich das Verhängnis über diesem Hause lastete.
„Komm, Rex“, sagte Sonja Garden bekümmert. „Wir wollen nachsehen, ob Richard Donally sein Versprechen gehalten hat. Wenn er da ist, wird er uns helfen. Er wird uns nicht im Stich lassen.“
Der Hund begleitete sie mit freudigem Kläffen hinaus in den winterlichen Garten. Zögernd ging Sonja Garden durch das Tor. Die dunklen Hecken taten
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