Ich will dich fuer immer
es anders. Dieses Mal bettelte sie ihn weinend an, sie nicht zu verlassen. Versicherte ihm, dass das Baby ein Versehen gewesen war.
Und sie versprach, es wegmachen zu lassen.
Mit seinen acht Jahren hatte Levi nicht verstanden, was sie meinte, aber trotzdem machte es ihm Angst. Er wollte ihr sagen, dass sie den Kerl fortschicken sollte. Dass sie ohne ihn besser dran wären. Dass sie das Baby behalten könnte und er, Levi, ihr helfen könnte. Er konnte schon eine Menge Dinge alleine machen. Als sie ein Jahr zuvor eine Woche lang weg gewesen war, war er gut alleine klargekommen, und außerdem sorgte er ständig für seine Mom. Er wusste sogar, wie man an Geld kam – nicht an viel, aber genug, um Essen zu kaufen.
Der Kerl hatte zu seiner Mutter gesagt, sie sei erbärmlich und wollte zur Tür gehen. Dabei stolperte er über eine leere Flasche und wurde noch wütender, als er ohnehin schon war. Er versetzte der Mutter einen so heftigen Schlag, dass sie zu Boden ging. Und als Levi in panischer Angst durch das Zimmer rannte, rastete der Kerl völlig aus und versetzte ihm einen Hieb mit der Faust.
Levi musste eine Woche zu Hause bleiben, bis die Beule verschwunden war, und er konnte es nicht abwarten, aus der muffigen Wohnung zu entkommen, in der es nach kaltem Rauch, Alkohol und dem Typen stank, der nun doch beschlossen hatte, dazubleiben.
Von dem Baby oder davon, es loszuwerden, war keine Rede mehr. Eine Weile lang hoffte Levi noch, doch bis zu seinem nächsten Geburtstag veränderte sich nichts am Körper seiner Mutter. Es war kein Baby gekommen. Und er wusste, dass nie eines kommen würde.
Irgendwann verließ der Typ seine Mutter. Genau wie die anderen, die vor und nach ihm kamen.
Aber Levi konnte nicht weg. Er sah zu, wie sie einer nach dem anderen verschwanden, und wünschte von Jahr zu Jahr mehr, dass er derjenige wäre, der ging. Doch auch wenn er sich nichts sehnlicher wünschte, wusste er, dass er nicht abhauen konnte. Und so ertrug er das Leben, dem er nicht entkommen konnte, bis seine Chance gekommen war.
Und nachdem er gegangen war, gab es nichts mehr, was ihn für längere Zeit an einem Ort halten konnte.
Er konnte es nicht ertragen.
Manche Leute waren einfach nicht dazu gemacht, Kinder zu haben. Leute wie seine Mutter, deren Versagen dem Alkohol zuzuschreiben war. Und Leute wie er, die nichts anderes kannten.
Es war genau so, wie er es zu Elise über ihren Vater gesagt hatte. Ihre Beziehung zu ihm hatte sie geprägt.
Und Levis eigenes Leben gründete auf nichts als Trümmern. Kein Mensch wäre so verrückt, darauf etwas aufbauen zu wollen.
Er wusste, was er zu bieten hatte.
Geld. Viel Geld. Welches er verdiente, indem er stets allem, was er aufbaute, den Rücken zukehrte.
Wenn es aber um Geborgenheit ging, die er selbst nie kennengelernt hatte, so war Elise diejenige, die dies bieten konnte. Sie würde eine Mutter sein, wie er sie sich immer gewünscht hatte. Und er würde dafür sorgen, dass nichts etwas daran ändern würde.
Sie würde sich nicht abrackern müssen. Sich nicht auf irgendeinen dahergelaufenen Typen einlassen müssen, um über die Runden zu kommen.
Es würde ihnen gut gehen.
Und ihm auch.
Das Piepsen von Levis Uhr unterbrach Elises fassungsloses Schweigen. Nur drei Minuten … wie konnte sich in so kurzer Zeit so viel ändern?
Beide erhoben sich.
Wie betäubt bewegte sich Elise auf das Teststäbchen zu, dessen Anzeige den Verlauf ihres restlichen Lebens bestimmen würde.
Levi folgte ihr und wartete an der Badezimmertür.
Mit zitternden Fingern griff sie nach dem Stäbchen, schloss die Augen und atmete tief durch.
Negativ. Es musste negativ sein.
Sie konnte nicht schwanger sein. Nicht, wenn sie sich so leer fühlte wie jetzt.
Blinzelnd sah sie das Anzeigefenster auf dem Stäbchen an und seufzte leise.
Sie erwartete, dass Erleichterung sich in ihr breitmachen und alles andere auslöschen würde. Doch das Gefühl des Verlustes, das schon vor dem Piepsen seiner Uhr von ihr Besitz ergriffen hatte, verschwand nicht.
Plötzlich von einer ungeheuren Müdigkeit ergriffen ließ sie sich auf den Badewannenrand sinken und hielt Levi das Teststäbchen entgegen. Sie konnte ihn nicht ansehen. Nicht jetzt. Nicht, während ein solches Gefühlschaos in ihr herrschte.
„Was bedeutet das?“, fragte er mit heiserer Stimme.
„Negativ. Ich bin nicht schwanger.“
Sie wartete darauf, dass er etwas sagen würde. Einen Ausruf der Erleichterung von sich geben würde. Dem Himmel danken.
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