Ich will dich
emotionalen Druck auszusetzen, den ein Streit um das Sorgerecht immer mit sich bringen würde. Verzweifelt suchte sie nach einem Ausweg aus der Zwangslage, in die sie sich selbst gebracht hatte.
Nachdem ihr klar geworden war, dass sie mit dem Rücken an der Wand stand und ihr keine Alternative zu Claytons erstem Vorschlag blieb, straffte sie die Schultern und sah ihn direkt an.
„Entschuldige, bitte”, sagte sie und zwang sich zu einem bedauernden Lächeln. „Natürlich kannst du hier bleiben. Ich bin einfach nur müde, das ist alles. Ich habe überreagiert. Der Tag war so anstrengend.”
Obwohl Clayton aussah, als würde er über dieses Thema gern noch ein wenig länger mit ihr diskutieren, ließ er zu ihrer Erleichterung die Hände sinken und drehte sich wieder zum Herd.
„Gut. Nach dem Abendessen bringe ich meine Sachen herein.”
„Bist du böse auf uns, Daddy?”
Brittanys Frage riss Clayton aus seiner Versunkenheit. Er hatte gerade über sein Gespräch am Vorabend mit Rena nachgedacht. Nun hob er den Kopf und sah zu Brittany, die neben ihrem Bruder auf der Laderampe seines Pick-ups thronte und ihm zusah, wie er Easy striegelte.
„Nein. Wie kommst du darauf?” fragte er nach.
„Du machst so ein böses Gesicht.”
Er lachte kurz auf und fuhr mit dem Striegeln fort. „Ich bin auf niemanden böse. Ich denke bloß nach.”
„Und worüber?”
Erneut hob er den Blick. „Schreibst du ein Buch?”
Brittany schüttelte entrüstet den Kopf. „Ich kann doch noch gar nicht schreiben!”
Lächelnd warf er den Striegel in die Sattelkiste und band das Pferd los. Die Kinder wussten immer eine Antwort und hatten, wie es schien, unzählig viele Fragen. „Wollt ihr beide Easy zurück auf die Weide reiten?” fragte er und hoffte, Brittany damit von ihren Fragen abzulenken.
Die Zwillinge standen auf. „Dürfen wir?” riefen sie wie aus einem Mund.
Clayton führte Easy neben die Laderampe und warf das Ende der Führungsleine über den Hals des Pferdes. „Solange ihr eure Füße ruhig haltet”, meinte er warnend und schlang Brittany einen Arm um die Taille. Mit Schwung setzte er sie auf Easys Kücken. Dann drehte er sich zu Branden, zögerte aber, weil ihm die roten Wangen des Jungen auffielen.
Mit den Fingerknöcheln hob er Brandons Kinn ein wenig an.
„Ist alles in Ordnung?” fragte er unsicher.
Als Brandon langsam nickte, ließ Clayton die Hand sinken.
Wahrscheinlich hat der Junge bloß zu viel Sonne abbekommen, beruhigte er sich selbst, bevor er Brandon hinter Brittany aufs Pferd setzte.
„Halt dich an deiner Schwester fest”, wies er ihn an und nahm die Zügel.
„Können wir ganz schnell reiten?” fragte Brittany, die sich mit beiden Händen an der Mähne des Tieres festhielt.
„Nicht, solange ich auf euch aufpasse, damit ihr nicht herunterfallt.”
„Pah”, machte Brittany. „Wir fallen doch nicht runter, nicht wahr, Brandon?”
Bevor Brandon ihr zustimmen konnte, schüttelte Clayton den Kopf. „Wir reiten ein anderes Mal aus. Für heute seid ihr lange genug an der Sonne gewesen. Außerdem ist es Zeit für euren Mittagsschlaf.”
Clayton führte das Pferd zur Weide und achtete nicht auf Brittanys leises Murren darüber, dass sie nicht müde sei und nur Babys einen Mittagsschlaf hielten. Nachdem er den Kindern beim Absteigen geholfen hatte, nahm er Easy den Halfter ab und gab dem Tier einen liebevollen Klaps, bevor er die Zwillinge von der Weide trieb und das Tor schloss.
„Daddy?” wandte Brittany sich an ihren Vater, als sie zum Haus zurückgingen.
„Was ist, Liebling?”
„Hast du eine Mommy und einen Daddy?”
Diese Frage überraschte Clayton so sehr, dass er beinahe gestolpert wäre, doch dann gewann er rasch die Fassung zurück.
„Nein.”
„Hattest du die niemals?”
„Nun ja, jeder hat Eltern. Aber meine starben, als ich noch sehr klein war.”
„Musstest du in einem Waisenhaus wohnen, als sie starben, wie die kleine Waisenhaus-Annie aus unserem Buch?”
„Nein”, erwiderte Clayton und schüttelte den Kopf, als könnte er damit die unangenehme Erinnerung abschütteln. „Ich habe bei Verwandten gewohnt.”
„Bei welchen Verwandten?”
„Na ja, zuerst bei meinen Großeltern. Bis sie so krank wurden, dass sie sich nicht mehr um mich kümmern konnten. Von da an wohnte ich bei meinen Onkel Frank und seiner Familie.
Nach ein paar Jahren schickten sie mich zu meiner Tante Margaret und deren Sippe.”
„Haben sie dich in eine Schachtel
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