Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich will dir glauben

Ich will dir glauben

Titel: Ich will dir glauben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabetta Bucciarelli
Vom Netzwerk:
Bestätigung. Sie strebe danach, sich in einem leeren See zu spiegeln, das absolute Nichts auszufüllen. So lautet zumindest die Theorie des Arztes, die er von seiner Kanzel herabpredigt. Die Mütterlosen , so wie sie auch eine ist, sitzen da und hören ihm zu. Die fleischlosen Knochen drücken gegen das Holz des Stuhles und verursachen Schmerzen. Bewegung bedeutet Unterdrückung. Dynamik ist Angriff und Flucht. Die Beute flieht und zwischen Zimmern, Gängen, Sälen, dunklen Ecken, Vorratskellern und Abstellkammern spielt sich die Inszenierung ab.
    Giulia steht im Zentrum, Hauptperson und Opfer zugleich. Sie schleppt sich dahin, wo sie kann und wohin sie es schafft. Sie erhält einen Preis, wenn es ihr gelingt zu entkommen. Wird bestraft, wenn man sie fängt. Und sie flieht erzürnt. Fällt. Steht wieder auf und beginnt von Neuem zu rennen. Sie wird verfolgt. Gepackt. Überwältigt.

40
    »Die Kreuze sind sowohl in Gärten von Privathäusern als auch auf Grünflächen rund um Kirchen aufgestellt.«
    »Wie viele sind es insgesamt?«, fragt Maria Dolores, während sie aufsteht, um das Wohnzimmerfenster zu schließen.
    »Zwölf«, antwortet Funi und ordnet auf dem Teppich die ausgedruckten Fotos chronologisch an.
    »Zwei fehlen also noch«, bemerkt sie nachdenklich.
    »Zwei?«
    »Ja, der Kreuzweg hat vierzehn Stationen. Zwei fehlen noch, dann ist er vollständig.«
    »Ein privater Kreuzweg?«
    »Nein, öffentlich. Der Boden ist zwar teilweise privat, aber auch in diesen Fällen sind die Kreuze für alle sichtbar, das haben Sie mir selbst gesagt, Funi. Oder irre ich mich?« Sie greift nach der Aufnahme von der Via dell’Ippodromo.
    »Nein, nein. Das stimmt schon. Aber wozu das alles?«
    »Zur Andacht. Als Pilgerweg. Was wir noch herausfinden müssen, ist, was die einzelnen Orte miteinander verbindet. Was haben sie gemeinsam? Zunächst einmal den nötigen Erdboden, um die Pfähle hineinzurammen.« Sie zündet sich eine Zigarette an.
    »Fassen wir mal zusammen: Ich denke, wir können sagen, dass die Gotteshäuser alle einen bestimmten Bekanntheitsgrad haben. Ich kann Ihnen gern eine Liste dalassen, wenn Sie einen Blick darauf werfen wollen. Die Eigentümer der Privathäuser dagegen sind, wie soll ich sagen …«
    »Reich. Sagen Sie es ruhig. Das ist ja kein Schimpfwort.«
    »Richtig. Die Häuser gehören vermögenden Familien.« Er benutzt lieber ein entsprechendes Synonym. »Aber ich habe noch nicht mit allen gesprochen, nur mit der Familie hier in Mailand. Sollte ich das nachholen?«
    »Funi, besprechen Sie das mit Corsari. Mit ihm müssen Sie vereinbaren, wie Sie vorgehen wollen. Ich finde es ja schon verwunderlich, dass er Ihnen bisher überhaupt so viel Spielraum gelassen hat.« Sie denkt kurz nach. »Ich habe ihn schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen. Ist auch wirklich alles in Ordnung im Präsidium?«
    »Natürlich.« Jetzt wäre der geeignete Zeitpunkt gewesen, ihr zu sagen, dass es nun sein Fall war, weil er zum Hauptkommissar befördert worden war. Aber er fühlt sich noch nicht bereit. Er befürchtet, sie damit in eine unangenehme Lage zu bringen. Manchmal genügte der Erfolg anderer nicht, damit es uns besser ging. Im Gegenteil.
    »In Ordnung, Funi. Ich werde Sie damit nicht mehr behelligen. Aber ich möchte Sie um einen Gefallen bitten, bevor Sie gehen.«
    »Was immer in meiner Macht steht.« Und darüber hinaus. Das weiß Maria Dolores.
    »Könnten Sie mir den Abschlussbericht über die Durchsuchung meiner Wohnung nach meiner Verhaftung zukommen lassen? Wenn Sie das nicht hinkriegen, dann lesen Sie ihn bitte aufmerksam durch und berichten mir dann, in welchem Zustand mein Schlafzimmer vorgefunden wurde. Danke, Funi.« Sie will einem bestimmten Gedanken nachgehen. Eine Lücke schließen. Selbst wenn es mit größter Wahrscheinlichkeit gar keine Lücke zu schließen gibt. Ihr Gewissen ist noch nicht bereit für die Zukunft. Da gab es noch zu viele ungelöste Altlasten. Und um diese beiseiteräumen zu können, musste sie daran arbeiten, Teile zusammensetzen, ergänzen. Bruchstücke, Details, vielleicht haltlose Vermutungen.
    »Bis bald.« Funi erhebt sich und streckt ihr seine Hand entgegen.
    »Danke, Funi. Bis bald.« Sie drückt ihm zum Abschied die Hand.

41
    Max Nagel: »Die Rechtsprechung dient dem Schutz Dritter vor möglichem Schaden. Selbstmord und Selbstbeschädigung sind daher im rechtlichen Sinn keine Vergehen, es sei denn, dahinter verbirgt sich eine betrügerische Absicht …«
    Maria Dolores

Weitere Kostenlose Bücher