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Ich will dir glauben

Ich will dir glauben

Titel: Ich will dir glauben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabetta Bucciarelli
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praktisch nichts anfangen, weil Wahrnehmungen viel zu dehnbar sind. Was zählt, ist allein die wissenschaftliche Auswertung.«
    »Ich habe doch am Abend vor dem verfluchten Tag keinen Verkehrsunfall gebaut?«
    »Nein, keinen Verkehrsunfall. Du hast dir einen gemütlichen Abend zu Hause gemacht. Aber um das noch abzuschließen: Denk mal an so einen Begriff wie Schnelligkeit. Er fuhr schnell. Wie schnell ist das denn? Was für mich schnell bedeutet, kann für dich langsam sein. Du fragst zehn Zeugen und bekommst zehn unterschiedliche Antworten. Lüge, falsche Erinnerungen, Verzerrung der Fakten, das alles ist hauptsächlich eine Frage der Psychologie.«
    »Das weiß ich. Danke.«
    »Dann vertrau doch einfach auf das, was die anderen dir sagen. Hör auf, den Dickschädel zu spielen. Und bereite dich geistig schon mal darauf vor: In den nächsten Tagen komme ich dich mit der Bestie besuchen.«
    »Bloß nicht.«
    »Na klar. Komm schon. Erst wechsele ich ein paar Worte mit deinen Schwarzen, und dann komme ich zu dir rauf.«
    »Bitte tu’s nicht, Inga. Bleib lieber zu Hause.«
    »Wir werden sehen. Du bist in letzter Zeit etwas sehr streng, das muss ich schon sagen.«
    »Ich bin nur angenervt und der ganzen Sache leid. Genügt dir das als Antwort?«
    »Vielleicht. Aber deine Freundinnen haben mit all dem, was passiert ist, nichts zu tun. Vergiss das nicht.«
    »In Ordnung. Mach dir noch einen schönen Tag.«
    »Du dir auch. So weit das möglich ist.«

73
    Ich bin ein 21-jähriges Mädchen. Der Albtraum vom Essen verfolgt mich. Seit ich vierzehn bin, kämpfe ich mit der Welt, oder besser gesagt, mit mir selbst, um schlank, sehr schlank zu sein. Um so zu werden, wie ich nie sein kann. Ich habe mich bis auf 30 kg bei 1,55 m Körpergröße heruntergehun gert, und nach vier Jahren Psychotherapie hielt man mich für geheilt. Ich nahm wieder zu. Sechs Monate war ich »zu Gast« in der Klinik Santa Teresa in Bologna, und noch heute lasse ich mir pausenlos neue Strategien einfallen, um zu hungern, um Kalorien zu zählen, um eine Methode zu finden, wie ich essen und sofort wieder abnehmen kann. Um mich herum herrscht Vakuum, nichts als Leere und Schweigen seitens derer, die mich gernhaben und die inzwischen nicht mehr wissen, was sie mir sagen sollen, nicht mehr wissen, ob ich dünn oder dick bin, ob es mir gut oder schlecht geht.
    Meine Gedanken kreisen ständig ums Essen. Ich verbringe meine Zeit damit, jeden Winkel meines Körpers in Zentimetern zu vermessen. Drei Tage esse ich Obst, zwei Wochen nichts. Inzwischen glaube ich nicht mehr, dass es einen Ausweg aus »dieser Sache« gibt. Gibt es denn keine dauerhafte Lösung sie loszuwerden, um zu fliehen und endlich ein richtiges Leben zu führen? Entschuldige, wenn das alles, was ich schreibe, vielleicht keinen Sinn ergibt. Aber ich muss mir irgendwie Luft machen. Niemand will mir mehr glauben, viel zu lange schon erzähle und frage ich dieselben Dinge, und die Antwort lautet immer gleich: »Du hast nicht zugenommen, du siehst immer noch gleich aus! Wie oft soll ich es dir denn noch sagen? Du bist wirklich schlank.« Aber ich schaffe es nicht, da rauszukommen. Und so wiederholt sich jeder Tag bis ins Unendliche.
    Miriam
    Liebe Miriam,
    deine wahre Geißel ist nicht das Essen. Du sprichst von Flucht, von dem Bedürfnis, aus deiner körperlichen Hülle zu entfliehen. Das ist unmöglich, ja ich würde sogar sagen, dumm. Vielleicht ist der passende Moment gekommen, innezuhalten und herauszufinden, was sich hinter diesem Symptom eigentlich verbirgt, um Schritt für Schritt zum Kern der Sache vorzudringen, zum eigentlichen Grund deiner sinnlosen Existenz.
    Ich bin 19 und Anhängerin der Pro-Ana-Bewegung, der einzigen Hoffnung, zu existieren und den eigenen Körper vor der Verunreinigung durch Essen zu bewahren.
    Ich glaube daran, dass ich, solange ich dick bin, das abstoßendste und unnützeste Wesen auf Erden bin und weder die Aufmerksamkeit noch die Zeit anderer verdiene.
    Ich glaube an die KONTROLLE , einzige ordnende Kraft im Chaos.
    Ich glaube an die ANSTRENGUNG , um mein tägliches Verhalten zu steuern.
    Ich glaube an die PERFEKTION als einzig wahres Ziel.
    Ich glaube an die WAAGE , den einzigen Indikator von Erfolgen und Misserfolgen.
    Ich glaube an PRO - ANA , einzig wahre Philosophie und Religion.
    Ich glaube an die HÖLLE , denn diese Welt hat sie mir gezeigt.
    Claudia
    Liebe Claudia,
    ich verstehe deine Verzweiflung und deinen Wunsch, dich an etwas zu klammern, um diese zu

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