Ich will dir glauben
überwinden. Doch dein wirkliches Problem ist deine Begierde. Such dir einen guten Therapeuten, dem du dich anvertrauen und mit dem du darüber sprechen kannst. Du wirst feststellen, dass er dir dabei helfen kann, deine realen Bedürfnisse in den Mittelpunkt zu stellen.
Das Online-Forum der Klinik Rinascita ist voll von Beiträgen junger Mädchen, die ihre persönlichen Leidensgeschichten beschreiben. Sie sind alle an einen Arzt gerichtet, der sie versteht, ihnen zuhört und gut gemeinte Ratschläge erteilt.
»Funi, haben Sie das gelesen? Sie sollten da unbedingt mal vorbeischauen und ein paar Fragen stellen. Zum Beispiel wie viele von den Mädchen, die im Forum schreiben, sich auch in die Klinik einliefern lassen. Ich habe keine Ahnung, wie Sie an die Zahl herankommen könnten, aber irgendwie scheint mir diese Information wichtig. Sie sollten mit den Mädchen sprechen. Ich denke, der Richter wird nichts dagegen haben. Versuchen Sie es einfach mal. Ich versuche über die Homepage in Erfahrung zu bringen, ob die Klinik überhaupt eine Zulassung hat. Spontan würden mir da schon einige Dinge zu ihrer Methode einfallen, aber warten wir es erst mal ab.«
Er hört in ihrer Stimme eine Entschlusskraft heraus, die er als positiv wertet. Jetzt bleibt nur noch zu hoffen, dass sie nicht manisch wird. Das wäre nicht das erste Mal. Achille Funi bedankt sich bei ihr, verspricht, sich bald wegen der fehlenden Informationen zu melden, und legt den Hörer auf.
»Sie hilft Ihnen doch nicht etwa bei Ihren Ermittlungen?« Pietro Corsari steht bereits seit einigen Minuten in der Tür zu seinem Büro.
»Das geht dich nichts an. Und wenn du mich fragst, würde es dir ganz guttun, ab und zu deinen Mund zu halten.«
»Ich wollte dir nur in Erinnerung rufen, dass sie unter Mordverdacht steht, sich unter Hausarrest befindet und von ihren Aufgaben als Hauptkommissarin entbunden wurde.«
»Danke, dass du mich daran erinnert hast. Jetzt muss ich aber leider los.« Er erhebt sich vom Schreibtisch und geht an ihm vorbei.
»Und wohin, wenn ich fragen darf?«
»Zur Klinik Rinascita«, antwortet er, ohne ihn dabei anzusehen, während er sich seine Jacke überstreift.
»Grüß mir Doktor Meda, wenn du schon dort bist. Was willst du eigentlich da? Der Fall ist doch abgeschlossen?«
Funi hält inne, dreht sich um und schaut ihn kampflustig an. »Welcher Fall soll abgeschlossen sein?«
74
»Entschuldige, Doris, kannst du kurz aufmachen?« Die Nachbarin mit dem Chicorée brüllt hinter der Tür und hämmert dagegen. Maria Dolores öffnet und fällt fast über ein fünfjähriges Kind.
»Komm, geh schon rein und setz dich da drüben hin.« Der Junge folgt mit mürrischer Miene.
»Das geht nicht, ich kann ihn nicht hierbehalten …«
»Doris, es ist wirklich ein Notfall. Mein Bruder liegt auf der Herzchirurgie. Sei so lieb und pass auf ihn auf. Nur eine halbe Stunde. Dann kommt seine Mutter, um ihn abzuholen.« Bevor sie im Aufzug verschwindet, wendet sie sich noch einmal an den Jungen. »Und du, Matteo, sei bitte brav und hör auf die Frau!«
Angelo steigt aus dem Aufzug, lächelt und nutzt die angelehnte Wohnungstür, um ins Innere zu huschen. Maria Dolores grüßt ihn mit einem Kopfnicken. Angelo nähert sich dem kleinen Jungen, schaut ihn an und streicht ihm über den Kopf. Dann richtet er sich an Maria Dolores. »Ich muss gehen, ich habe hier in der Nähe etwas zu erledigen.«
Der Junge zeigt keinerlei Reaktion. Als hätte er nichts von alldem mitbekommen, zu beschäftigt damit sich umzusehen. Reglos und aufrecht sitzt er da, bereit zum Aufbruch, die kleinen Händchen zwischen die Beine geklemmt. Maria Dolores sitzt ihm gegenüber und blickt ihn an. Er starrt mit seinen großen fragenden Augen zurück und macht keinerlei Anstalten, weder von seinem Schweigen noch seiner Sitzhaltung abzurücken. Er macht sich bereit für den ersten Schlag.
»Bist du böse?«, fragt er sie wie aus dem Nichts.
»Nein, ich glaube nicht. Warum fragst du das?«, will sie wissen und gerät bereits bei der ersten Frage aus dem Gleichgewicht.
»Oma sagt, dass man dich zur Strafe zu Hause eingesperrt hat und du lange nicht mehr raus darfst, also musst du wirklich was Schlimmes gemacht haben«, erklärt er im Brustton der Überzeugung.
»Na und? Ich kann genauso gut auch drinnen spielen«, entgegnet sie in dem Versuch, das Gespräch in eine kindgerechte Richtung zu lenken.
»Spielen wir dann was zusammen?«
»Einverstanden. Hast du einen Vorschlag?« Sie
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