Ich will doch nur küssen
sie und deutete mit dem Ellbogen auf Ethan.
Ethan stöhnte. »Im Gemeindezentrum werden einige gute Freizeitprogramme für Jugendliche angeboten. Kate Andrews hat sie mitgenommen und ihr alles gezeigt.«
»Kate ist übrigens die beste Freundin von Faith «, bemerkte Tess zwischen zwei Schlucken Saft.
Ethan schenkte ihr keine Beachtung. »Und außerdem war ich mit Tess bei einer Therapeutin«, erzählte er seinen Brüdern. Dieser Termin war höchst aufschlussreich gewesen, und er wollte seinen Brüdern nicht zuletzt deswegen davon berichten, weil Dr. Sinclair gemeint hatte, es sei das Sinnvollste, wenn sie dem Mädchen mit vereinten Kräften halfen.
Tess knallte ohne Vorwarnung das Silberbesteck hin, wobei Messer und Gabel mit einem lauten Scheppern auf dem Teller landeten. »Ich geh dann mal.« Es gefiel ihr wohl nicht, dass sich das Blatt gewendet hatte und sie jetzt Gegenstand der Unterhaltung war.
»Du setzt dich wieder hin. Sofort «, befahl Ethan. Was für ein Fiasko!
»Ich denk ja gar nicht dran«, schrie Tess und stürmte aus der Küche. Die Brüder blieben allein zurück.
Dare und Nash wechselten einen vielsagenden Blick, den Ethan nicht recht zu deuten wusste.
»Was ist?«, fauchte er verärgert.
Nash wischte sich mit der Serviette den Mund ab. »In puncto Folgsamkeit kommt sie ganz nach dir.«
Dare verzog den Mund zu einem verbissenen Grinsen.
Ethan schnaubte frustriert. »Findet ihr nicht, dass ich inzwischen erwachsen geworden bin?«
Nash erhob sich. »Das weiß ich nicht. Bist du das?«, fragte er. Es klang wie eine Aufforderung zum Duell.
Nun, da Tess nicht mehr im Raum war, wurde offenbar mit härteren Bandagen gekämpft.
Ethan schob den Stuhl zurück, stand auf und blickte seinen verärgerten mittleren Bruder an. »Vielleicht würdest du es herausfinden, wenn du dich öfter mal blicken lassen würdest.« Ethan hatte die Nase voll davon, dass ständig auf seinen Fehlern von früher herumgeritten wurde.
Nash schob den Stuhl unter den Tisch. »Nenn mir einen guten Grund, warum ich das tun sollte, mal abgesehen von Tess. Deinetwegen würde ich ganz sicher nicht herkommen. An dem Tag, an dem du gegangen bist, hast du aufgehört, unser Bruder zu sein.«
Ohne von ihm dazu aufgefordert worden zu sein, erhob sich Dare schweigend und baute sich neben Nash auf, ein stummes Signal, dass es hier zwei gegen einen stand.
Kapitel 12
Ethan stützte sich mit einer Hand an der Stuhllehne ab und umklammerte sie mit festem Griff. »Ich war achtzehn und total überfordert«, erinnerte er die beiden. »Glaubt ihr ernsthaft, ich wusste damals, was ich tue?« Nicht, dass das sein Verhalten rechtfertigte, das war ihnen allen bewusst.
»Offensichtlich nicht, denn sonst hättest du wohl kaum den Tod unserer Eltern verursacht«, knurrte Dare. Da war es, das Totschlagargument.
Seine Worte versetzten Ethan einen stechenden Schmerz in Kopf und Brust. Es war eine Sache, sich selbst die Schuld daran zu geben, aber eine völlig andere, von seinem jüngsten Bruder beschuldigt zu werden. Zu wissen , dass ihn seine Geschwister für den Tod ihrer Eltern verantwortlich machten, war viel schlimmer als es bloß zu befürchten. Ethan war, als lastete plötzlich ein tonnenschweres Gewicht auf seiner Brust.
Er konnte kaum noch atmen. »Sie wurden von einem betrunkenen Autofahrer getötet«, presste er hervor und wiederholte damit, was er jahrelang immer wieder von dem Militärpsychiater gehört hatte, den er, von Albträumen geplagt, aufgesucht hatte. Aber diese Aussage hatte ihm schon damals nicht geholfen, und sie würde ganz sicher auch jetzt nicht viel nützen.
»Du warst verdammt noch mal der Grund, weshalb sie damals überhaupt unterwegs waren.« Dare war krebsrot angelaufen. Er trat einen Schritt nach vorn. »Und schon damals bist du davongelaufen, statt dich deiner Veranwortung wie ein Mann zu stellen«, zischte er, seine Stimme triefend vor Abscheu.
Nash legte ihm eine Hand auf die Schulter – um ihn zurückzuhalten oder um ihn zu trösten? Ethan wusste es nicht, und es war ihm auch egal. Es gab keine Entschuldigung, keine Worte, die es hätten besser machen können. Er hatte jahrelang das Gleiche gedacht, hatte sich dafür gehasst, sich für sein unreifes Verhalten Vorwürfe gemacht. Aber der Hass und die Abscheu seiner Brüder zerrissen ihm schier das Herz.
»Ich habe einen Fehler gemacht«, presste er mit zusammengebissenen Zähnen hervor.
»Einen Fehler, der sich schon über ein ganzes Jahrzehnt hinzieht«,
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