Ich will doch nur küssen
Nash war in einer Stoffhose und einem kurzärmligen Poloshirt erschienen. Der Unterschied zwischen den beiden hätte größer nicht sein können, aber sie bauten sich Schulter an Schulter vor Ethan auf.
»Danke, dass ihr gekommen seid«, sagte er zu ihnen.
»Wir sind nur wegen Tess hier«, meinte Dare.
Als wäre Ethan das nicht bewusst gewesen.
Nash nickte. »Der DNA -Test wurde bestätigt«, stellte er fest und wiederholte damit, was er Ethan bereits am Telefon mitgeteilt hatte. »Wo ist sie?«
»Miss Tess ist hier.« Rosalita schubste Tess unsanft in die Küche.
»Hey, lass dass, verdammt noch mal«, murrte Tess.
»Gewöhn dir endlich das Fluchen ab«, ermahnte Ethan sie. »Danke, Rosalita.«
Die Haushälterin nickte und machte sich an die Arbeit.
Dare ging auf Tess zu. Da er lässiger gekleidet war als Nash, hätte er sich bei Tess rein optisch wohl die größeren Chancen ausrechnen können, wäre er nicht Polizist gewesen. Ethan konnte sich nicht vorstellen, dass sie sich seinen Brüdern gegenüber sonderlich aufgeschlossen verhalten würde.
»Na, wie geht’s denn so?«, fragte Dare Tess.
Sie verschränkte die Arme vor der Brust und zog damit die verdammte Jacke enger um ihren schlanken Körper. »Als ob dich das interessieren würde.«
Ethan wollte sie gerade tadeln, aber Dare warf ihm einen warnenden Blick zu und schüttelte den Kopf, als wollte er sagen: Halt du dich da raus .
»Willst du zum Essen nicht die Jacke ausziehen?«, fragte Dare, scheinbar unbeeindruckt von ihrem trotzigen Tonfall.
Ethan hatte sie noch nie ohne die alte Jacke gesehen.
Sie bedachte Dare lediglich mit einem bösen Blick.
»Hühnchen und Kartoffeln«, verkündete Rosalita und kam, mit mehreren Tellern beladen, um die Anrichte herum.
Ethan setzte sich, dankbar für die Ablenkung, und die anderen taten es ihm nach. Ethan thronte am Kopfende, Nash und Dare nahmen auf der einen Seite des kleinen rechteckigen Tisches Platz, Tess saß ihnen gegenüber.
Sobald Rosalita das Essen aufgetragen hatte, begannen sie schweigend zu essen. Ethan hatte keine Ahnung, wie er das Eis brechen sollte.
Doch Tess war bereits ein Gesprächsthema eingefallen. »Wieso hast du denn deine Freundin nicht eingeladen?«, erkundigte sie sich.
Ethan beschloss, sich dumm zu stellen. »Welche Freundin denn?«
Sie verdrehte die Augen. »Na, Faith Harrington. Oder hast du etwa noch eine andere Freundin?«
»Natürlich nicht!« Er knirschte mit den Zähnen. Nicht zu fassen, was für eine Herausforderung dieses Mädchen war.
»Ich dachte, Faith Harrington ist nur eine Bekannte von dir.« Nash war deutlich anzuhören, dass ihm schon diese Vorstellung gegen den Strich ging.
Das war natürlich ein heikles Thema, und Tess, das kleine Miststück, hatte das nur zu gut gewusst, dachte Ethan, als er ihren gehässigen Blick registrierte. Andererseits wirkte es vielleicht auch nur so wegen dem schwarzen Eyeliner, mit dem sie sich die Augen angemalt hatte. Trotzdem lag die Vermutung nahe, dass sie versuchte, die Brüder gegeneinander auszuspielen; wobei sie sich der Informationen bediente, die sie neulich Abend gesammelt hatte, als sie schon einmal alle hier versammelt gewesen waren. An dem Abend, an dem Tess in sein Leben getreten war.
»Ich dachte, es geht heute um die Familie«, sagte Ethan. »Und darum, dass wir versuchen, miteinander auszukommen, aber das ist nicht möglich, wenn wir einander nur provozieren und absichtlich Themen zur Sprache bringen, um uns gegenseitig auf die Palme zu bringen.« Er warf Tess einen mahnenden Blick zu.
»Klingt für mich, als würde sie hervorragend hierherpassen«, murmelte Dare verhalten.
»Was zum Teufel gibt es jetzt schon wieder an mir auszusetzen?«, fragte Tess und schaufelte sich ein paar Gabeln voll Hühnchenfleisch in den Mund. »Ich versuche doch bloß, ein bisschen Small-Talk zu machen, nachdem von euch ja nichts kommt.«
Womit sie durchaus recht hatte.
»Sprich nicht mit vollem Mund, und hör auf zu fluchen«, ermahnte Dare sie. »Jetzt, wo wir schon mal hier sind, sollten wir auch das Beste daraus machen.«
Es gefiel Ethan, wie er die Sache anging, aber Dare mied es tunlichst, Blickkontakt mit ihm aufzunehmen, sodass Ethan ihm nicht unauffällig seine Anerkennung zollen konnte. Auch gut.
»Und, wie hast du dir inzwischen die Zeit vertrieben?«, wollte Nash von Tess wissen.
»Er schickt mich ins Jugendzentrum, damit ich ein bisschen mit anderen jugendlichen Straftätern herumhängen kann«, antwortete
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