Ich will doch nur küssen
nachgesehen?«, fragte er und dachte daran, dass sie das letzte Mal mit einem Joint draußen auf der Treppe vor dem Haus gesessen hatte.
Rosalita nickte. »Sie ist weder hinter dem Haus noch vorne auf der Veranda.«
Ethan fiel siedend heiß ein, dass er vorhin gehört hatte, wie die Tür ins Schloss gefallen war, aber er hatte angenommen, es wäre Rosalita gewesen. »Waren Sie mal vor der Tür, während wir hier in der Küche waren?«, fragte er sie.
Sie schüttelte den Kopf. »Ich war in der Waschküche.«
Ethan stöhnte. Dann musste es Tess gewesen sein – vermutlich, nachdem sie das Geschrei und die Anschuldigungen in der Küche gehört hatte. In diesem Augenblick klingelte sein Handy. Er zog es aus der hinteren Hosentasche seiner Jeans und warf einen Blick auf das Display.
Faith.
Vor einer Stunde wäre er begeistert gewesen, von ihr zu hören, aber jetzt konnte er sich selbst nicht ausstehen, und er wusste, es war keine gute Idee, mit ihr zu telefonieren, wenn er in dieser Laune war.
Doch Rosalita sagte: »Vielleicht weiß sie ja, wo Miss Tess ist«, also nahm er das Gespräch an.
»Hallo?«
»Ethan, hier ist Faith.« Ihre sanfte Stimme war wie Balsam für seine Seele – ein Balsam, den er nicht verdient hatte. Und sie hatte ohne jeden Zweifel etwas Besseres als ihn verdient. »Tess ist bei mir«, sagte sie hastig.
Er atmete erleichtert auf – ihm war gar nicht bewusst gewesen, dass er den Atem angehalten hatte – und nickte Rosalita zu. »Sie ist bei Faith«, sagte er zu seiner Haushälterin, die sich sogleich bekreuzigte.
»Sie ist zu dir gekommen?«, fragte er.
»Nicht direkt. Ich war kurz vor der Tür, um den Müll rauszubringen, und da habe ich sie unten auf dem leeren Parkplatz mit einem Jungen herumknutschen sehen«, berichtete sie im Flüsterton.
»Ich bin gleich bei dir.«
Faith ließ den Fernseher laufen, während sie auf Ethan warteten. Tess hatte Faith ziemlich ausführlich geschildert, was beim Abendessen vorgefallen war und warum sie weggelaufen war. Ihre ungewöhnliche Gesprächigkeit hatte Faith überrascht. Offenkundig verspürte sie das Bedürfnis, jemandem mitzuteilen, was sie über ihre neue Familie erfahren hatte.
Faith drehte sich förmlich der Magen um, als sie hörte, welche Vorwürfe Dare und Nash Ethan an den Kopf geworfen hatten. Sie kannte Ethan bereits gut genug, um zu wissen, dass er die Schuld für den Tod seiner Eltern bei sich suchte, und wie es schien, machten ihn seine Brüder ebenfalls schonungslos dafür verantwortlich.
Wenig später klingelte es an der Tür. Sie ließ Ethan herein, und ein Blick in seine dunklen, gequälten Augen sagte ihr alles, was sie wissen musste: Er war psychisch schwer angeschlagen.
»Hey«, sagte sie. »Komm rein.«
Er trat ein und sah sich sogleich nach Tess um. »Lass uns gehen.«
Das Mädchen starrte stur weiter auf den Fernseher, wo gerade die MTV -Reality-Show Cribs lief.
»Warum setzt du dich nicht, und wir unterhalten uns ein bisschen?«, schlug Faith.
Er täte gut daran, sich etwas zu beruhigen, ehe er seine miese Laune womöglich an Tess ausließ. Außerdem sah er aus, als könnte er eine starke Schulter zum Anlehnen brauchen. Sosehr Faith in den vergangenen Wochen auch versucht hatte, sich zurückzuziehen, sich auf sich selbst und ihr Geschäft zu konzentrieren, war er ihr doch dauernd im Kopf herumgespukt. Es war nicht so, als könnte sie das unglaubliche Schäferstündchen mit ihm so einfach vergessen.
»Das ist jetzt ein denkbar schlechter Zeitpunkt«, wehrte er kühl ab, dann reckte er den Kopf und sah an ihr vorbei zu Tess hinüber. »Tess, ich sagte, wir gehen!«, bellte er.
Er war wie ausgewechselt – keine Spur von der üblichen Wärme, von dem Interesse an ihr, das er sonst zeigte, sobald sie in seiner Nähe war. Sie nahm es nicht persönlich, aber es bereitete ihr Sorgen, dass er sich derart vor ihr zurückzog.
»Immer mit der Ruhe«, murrte das Mädchen und erhob sich übertrieben bedächtig.
»Wenn ich du wäre, würde ich jetzt lieber keine dicke Lippe riskieren«, sagte er drohend zu seiner Halbschwester.
»Ethan … « Faith berührte ihn an der Schulter.
Er zuckte zusammen und wich einen Schritt zurück. »Lass mich«, sagte er in einem warnenden Tonfall, den sie lieber ernst nehmen sollte. »Ich bin gerade keine besonders gute Gesellschaft.«
Tess baute sich unbeeindruckt vor ihrem Bruder auf. »Es ist nicht meine Schuld, dass du deine Brüder im Stich gelassen hast«, sagte sie, dann
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